Extraleben - Trilogie
Unschuldige sterben mussten - nämlich als Metzel-Rechtfertigung. Allerdings ist uns an diesem Morgen vor der Schlacht ein schwarzer Kaffee deutlich wichtiger als schwarze Schminkebalken. Denn unsere Tassen sind leer, und zwar schon zum dritten Mal.
»More coffee? Regular or decaf«, fragt die junge, etwas plumpe Frau mit der Metallbrille, und winkt mit der Kaffeekanne. Sie sieht aus wie fünfundzwanzig, vielleicht auch schon dreißig, irgendwie verlebt. Wohnwagenpark vermutlich, da zählt jedes Jahr doppelt. Normal oder entkoffeiniert - was für eine Frage.
»Regular!«, rufen. wir im Chor rüber, und Nick flüstert noch »DECAFBAD« hinterher. Anstatt völlig high dem Endgegner entgegenzufiebern, schleppen wir uns mit letzter Kraft vorwärts. Nick braucht überhaupt keine schwarze Schminke mehr: Seine Augenringe haben sich über Nacht noch grauer und Horst-Tappert-mäßiger gefärbt. Und auch Harry hat eigentlich keine Lust, den Wagen zu holen, sondern würde am liebsten schlafen. Schlafen, schlafen, in Ruhe, ganz lang. Der Schnitt in der Hand macht keine Anstalten, mit dem Brennen aufzuhören; alle paar Minuten schiele ich runter, um zu checken, ob sich eine der Adern drum herum schon lila färbt. Das würde bedeuten: Blutvergiftung. Dann blieben nur noch ein paar Stunden, um ins nächste Krankenhaus zu kommen. Ein weiterer Grund, die Exkursion zu Vaters Höhle so schnell wie möglich durchzuziehen. Ist jetzt vielleicht der Moment gekommen, die Verstärkung der pharmazeutischen Industrie anzufunken? Die Packung Provigil fliegt immer noch unangebrochen zwischen den dreckigen TShirts rum. Bevor die Kellnerin richtig abgezogen ist, hat Nick schon seinen Kaffee wie ein Verdurstender runtergestürzt. Das Rührei mit Speck dagegen, das sie vor zehn Minuten gebracht hat, lässt er kalt werden; er hat nur einmal in die halbe Toastscheibe auf dem Extrateller gebissen - das war's. Wie soll so die Nick-Maschine laufen? Der Beifahrer streicht sich mit dem Händen die fettigen Haare nach hinten und glotzt mich aus seinen roten Sehschlitzen an. „Okay, was haben wir?«
Dass er anderen das Ruder überlässt, ist auch nicht gerade ermutigend. Ich schiebe ihm den Dienstrechner mit dem Sat-Foto rüber.
»Sieht nach einer einsamen Farm aus. Silo Road, könnte so'n Kornspeicher sein.«
Nick kneift die Augen erst zusammen und beugt sich wieder einen Tick zurück, weil er das Display anscheinend nur noch so scharf erkennen kann. Hihi, wenn das nicht der erste Flirt mit einer Gleitsichtbrille ist.
»Hm«, murmelt er abwesend. Anders als sonst klingt sein Murmeln nicht so, als wäre sein Hirn unterdessen mit irgendeiner hochkomplexen Analyse beschäftigt. Er wirkt eher, als würde ein Esel in seinem Kopf grasen. Durch ein kleines Fensterchen zwischen Gastraum und Küche hört man Teller klappern. Um die Zeit schmeißt die Frau den Laden wohl alleine, sie muss gleichzeitig kochen und bedienen. Das Café sieht aus wie Tausende andere in den Rockies: dunkle Eichenvertäfelung, rund um die Fenster dicke Blockhaus-Balken, an der Wand der obligatorische ausgestopfte Elchkopf. So, wie sich der Ami halt Alpenhütten-Romantik in Zermatt vorstellt. Andere Möglichkeiten, an ein Frühstück zu kommen, gibt es nicht. Für Fastfood-Ketten ist das Kaff viel zu klein; dafür müsste es auf der Hauptstraße mindestens eine Ampel geben, behauptet Nick. Gibt es aber nicht, und deshalb auch keinen McD, Kentucky Fried Chicken oder Taco Bell. Im Winter geht hier bestimmt einiges; da kommen die Leute aus Seattle und Portland hoch, um Ski zu fahren. Doch um diese Jahreszeit ist jeder Tag ein Sonntag. Bis vor zehn Minuten hatten wir den Laden noch für uns. Dann ist ein Trupp Bauarbeiter reingekommen, fleischige Typen mit verbrannten Gesichtern, die ihre Oakley-Sonnenbrille auf den Schirmen ihrer Baseballkappen ablegen. Unten am alten Highway würden Glasfaserkabel verlegt, hatte uns die Kellnerin ungefragt erklärt. Die Typen halten gottseidank die Klappe und schlürfen konzentriert ihren Kaffee. Im Hintergrund dudelt eine alte Nummer von Dei Amitri aus den Neunzigern. Genau, »Driving with the Brakes on«.
Unglaublich, dass die nicht aus den Staaten sind, sondern aus Schottland. Trying to keep the mood right, trying to steer the conversation from the thing we've done. Nick starrt immer noch Löcher in den Bildschirm; wenn ich jetzt nichts sage, schläft er im Sitzen ein: »Weißte was?«
Er schreckt hoch.
»Ja?«
»Ruf doch mal zuhause an. Ist doch
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