Extraleben - Trilogie
hoch, rundherum mit eloxiertem Stahl verkleidet. Vorne ist nur ein kleiner Schlitz zu erkennen, wie bei einem Kassenautomaten im Parkhaus, da kommt die Codekarte rein. Sieht nach einem alten Modell von AT&T aus, bei Sicherheitstechnik vertrauen die Amerikaner natürlich nur einheimischen Firmen. Hinter der Sperre wird's noch abgefuckter. Der Asphalt auf dem Vorplatz ist an vielen Stellen aufgesprungen. Aus dem runden Beet in der Mitte, wo früher stolz das Sternenbanner wehte, quillt ein Berg von Gestrüpp. Ranken strecken ihre Zweige über die halbe Straße aus. Autos fahren da anscheinend nicht mehr viele rum. Vorsichtig weiterrollen, immer schön in Bewegung bleiben. Hinter der Pforte geht der Zaun normal weiter, vielleicht noch zwanzig Meter, dann knickt er nach hinten ab und verschwindet im dunklen Gestrüpp des Gartens. Ich brauche einen Platz, von dem aus man den Eingang noch erkennen kann - falls Nick da rauskommt. Gleichzeitig muss ich weit genug weg sein, damit die Kameras mich nicht erfassen. Gleich hinter dem Ende des Botschaftsgrundstücks bricht wieder der Nachkriegswohlstand aus. Das nächste Haus ist derart gepflegt, dass es einem fast Tränen der Rührung in die Augen treibt. Hier wohnt eine gute Seele, die definitiv etwas von deutscher Sauberkeit versteht. Das weiße Mäuerchen strahlt selbst im Nieselregen so hell, als wäre es gerade erst vor zehn Minuten gestrichen worden. Ich parke den Wagen zwischen zwei alten Platanen ein und mache den Motor aus. Und was nun? Wie kriege ich Nick aus dieser Festung raus? Es gibt drei Methoden, diese ollen Kartenschlösser zu überlisten so stand es zumindest in der Anleitung der Company. Erstens: Du besorgst dir die Codekarte von jemandem, der rein darf, und kopierst sie. Da die Dinger im gleichen Format wie stinknormale Kreditkarten beschrieben werden, ist das völlig easy - aber eben nur, wenn du an eine Originalkarte rankommst. Möglichkeit zwei: die harte Tour, also an der Hardware rumschrauben. Dafür muss man an eine der Leitungen ran, die den Kartenleser mit dem Zentralrechner verbinden. Der Nachteil ist, dass man dafür an den Drähten rumfummeln muss. Das wäre in einem Perimeter, das so mit Videokameras gepflastert ist, der totale Selbstmord. Bleibt noch der elegante Retro-Ansatz: Die WarGames-Methode. Um mir Mut zu machen reibe ich theatralisch die Hände gegeneinander, so als müsste ich gleich ein Tresorschloss mit viel Fingerspitzengefühl knacken. Dann schalte ich das Powerbook ein - Schlösser aus der Vergangenheit lassen sich eben nur mit Werkzeugen aus der Vergangenheit überlisten. Hinter den feuerfesten Edelstahl-Verkleidungen der Kartenschlösser tickt nämlich noch Technik von 1984. Laut Datacorp-Handbuch werden alle Zugangssysteme dieses Typs von einem alten HP-Rechner gesteuert, auf dem irgendein Unix-Dialekt läuft. Diese Altlast gegen eine schnellere Kiste auszutauschen wäre totale Geldverschwendung, da der Zentralcomputer nur einen total simplen Job erledigen muss: Er prüft, ob eine Karte, die gerade durchgezogen wurde, die richtige Nummer hat und ob derjenige auch rein darf. Dann sendet er das Okay an das Schloss und die Tür geht auf. Der angestaubte Zentralrechner ist die Schwachstelle des Systems - hier kommt Einbruchsvariante drei ins Spiel: Die meisten dieser Computer sind über ein Modem mit dem Telefonnetz verbunden, damit man sie aus der Ferne warten kann. Und exakt da werde ich jetzt mal anrufen. Am liebsten würde ich mir vor Freude den kleinen Finger Dr.-Evil-mäßig in den Mundwinkel halten. Deshalb scheißt Nick also immer so gerne klug: Es ist ein verdammt erhebendes Gefühl, mal was zu wissen. Wenn es einen Film gibt, den wir hassen, dann ist es ja »WarGames«.
Heul, heul, beim Atomkrieg gibt es keine Gewinner, da verlieren alle - diese Message zog einem der Streifen derart platt über den Schädel, dass es weh tat. Nur eine Szene, die war sexy die, in der Broderick mit seinem Rechner alle Telefonanschlüsse in Sunnyvale durchtelefoniert, bis er an einen Computer gerät, in den er einbrechen kann. Wardialing heißt der Trick seitdem. Und genau das werde ich jetzt auch probieren. Klar: Wardialing ist total kindermäßig und Old School. Also genau mein Niveau! Und außerdem könnte es hier wirklich funktionieren. Ich starte das Wählprogramm und gebe die alte Telefonnummer der Botschaft ein: 83050. BigSis, gelobt sei dein ehemaliger Arbeitgeber! Ich drücke auf den schwergängigen Schalter unterhalb des Touchpads und
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