Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)
nicht 50 Kilometer laufen. Das ist für mich der entscheidende Punkt. Sie müssten dann nämlich auf vieles verzichten. Sie müssten fast jeden Tag bei Wind und Wetter mehrere Stunden hart trainieren, müssten auf eine entsprechende Ernährung achten und könnten nicht mehr stundenlang vor dem Fernsehgerät sitzen. Sie müssten also sehr viel Zeit und Energie investieren. Die Frage ist nie: Können wir eine bestimmte Sache in unserem Leben erreichen? Natürlich können wir. Wir können uns all die Fähigkeiten und das gesamte Wissen immer und überall aneignen. Die viel wichtigere Frage lautet: Wollen wir eine bestimmte Sache in unserem Leben erreichen? Mir geht es nicht darum, Sie zum Laufen zu motivieren. Mir geht es auch nicht darum, zu propagieren, unter allen Umständen immer an die persönliche Grenze zu gehen. Das ist dauerhaft kontraproduktiv und für den Körper und Geist definitiv ungesund. Worauf es mir ankommt, ist, für sich selbst zu erkennen, in welchem Lebensbereich, bei welchen Aufgaben man „Ich will“ sagt und diese dann auch konsequent erfüllt.
Beim Lauf um den Mont Blanc im Jahr 2009 bekam ich nach achtzig gelaufenen Kilometern markstückgroße Wasserblasen an meinen Füßen. An ein schmerzfreies Laufen war nicht mehr zu denken, bei jedem Schritt verzog ich mein Gesicht. Wasserblasen treten bei mir normalerweise nur ganz selten auf. Ausgerechnet bei solch einem langen Rennen wie am Mont Blanc kamen sie plötzlich. Es lagen zu diesem Zeitpunkt noch weitere lange achtzig Kilometer vor mir bis zum Ziel. Sie müssen wissen, dass ich das Ziel bei diesem Lauf in den Jahren zuvor schon zweimal erreicht hatte. Es stand also außer Frage, dass ich es schaffen konnte. Primär ging es also nicht um das Können, sondern in diesem Moment ausschließlich um das Wollen und um die richtige Einstellung. Ich ließ beim nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 94 in Arnuva meine Füße behandeln. Als ich auf dem Feldbett im Sanitätszelt lag, hätte ich einige Gründe finden können, die für eine Aufgabe des Rennens sprachen. Doch Aufgeben war für mich einfach keine Option. Ich hatte die fixe Einstellung, dass ich den Lauf finishen werde. Mehr noch: Ich war mir absolut sicher, dass ich finishen werde. Und ich wollte dieses Rennen auch um jeden Preis erfolgreich beenden, weil es für mich persönlich sehr viel bedeutete. Und ich schaffte es auch. Wenn ich heute an diese Situation zurückdenke, muss ich darüber schmunzeln, denn die Behandlung meiner Blasen stellte für mich die unangenehmste und aufregendste Situation des ganzen Laufs dar. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich einen Riesenrespekt vor Nadeln habe. Und als ich im Zelt lag und der Arzt mit einer langen Spritze meine Blasen aufstoch, damit sie austrocknen konnten, wurde mir schwarz vor Augen. Selbst Minuten danach musste ich noch liegen bleiben, bis ich wieder gerade stehen konnte. Doch nach dieser Behandlung hatte ich keine Probleme mehr während des gesamten Rennens und konnte den Lauf wieder genießen.
Mit der Kraft des Willens ist sehr vieles im Leben möglich. Für mich ist die Willenskraft einer der wichtigsten Faktoren auf dem Weg zum persönlichen Erfolg. Talent und Fähigkeiten sind sicherlich nicht unbedeutend, ganz im Gegenteil. Doch nur, wenn der Antrieb von einem selbst kommt, können auch die Fähigkeiten und das Talent voll ausgeschöpft werden. Um an die Weltspitze zu kommen, benötigt man Talent − überhaupt keine Frage. Doch für wie viele Menschen geht es überhaupt darum, ganz an die Spitze in ihrem Bereich zu kommen? Und für wie viele ist es ausreichend, einfach „nur“ das Beste aus sich herauszuholen? Um genau das geht es mir: das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen und sein Potenzial voll auszuschöpfen.
Die innere Einstellung entscheidet
Um etwas in unserem Leben zu erreichen, um motiviert zu sein, um „Ich will“ zu sagen, benötigen wir einen Erfolgsfaktor, der zu den wichtigsten überhaupt gehört: unsere innere Einstellung.
Nach Abschluss meines Studiums im Jahr 2003 hatte ich das Privileg, einmal kreuz und quer durch Australien zu reisen – für ein Jahr. Ich packte meinen Rucksack und flog alleine nach Sydney, ohne einen konkreten Plan zu besitzen. In diesem Jahr habe ich so viele wertvolle Lebenserfahrungen gesammelt wie selten zuvor. Ich traf interessante Menschen aus der ganzen Welt und lernte, was es bedeutet, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich kam auch in den Genuss, die schönsten
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