Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)
Welche Impfungen benötige ich? Wie und wo verpacke ich die ganzen Gegenstände in meinem Rucksack? Fragen über Fragen, mit denen ich mich über Monate beschäftigte. Und dafür benötigte ich Zeit. Also hatte ich eine Entscheidung zu treffen: Will ich diesen sehr anspruchsvollen Lauf gesund und erfolgreich beenden? Oder ist es mein primäres Ziel, in diesem Jahr so viele Vorträge wie möglich zu halten? Oder will ich lieber einen Großteil meiner Zeit in eine neue Weiterbildung investieren? Ich entschied mich im Jahr 2010 für den Lauf. Für mich hatte der Jungle Marathon in Brasilien die Priorität eins. Dieser Lauf war für mich enorm wichtig, entsprechend gestaltete ich meine Vorbereitung. Meine anderen Lebensbereiche kamen dadurch, speziell in den letzten Monaten vor dem Lauf, zu kurz. Gemeinsame Aktivitäten mit dem Partner oder mit Freunden waren in dieser Zeit nur sehr selten möglich. Oft lag ich sogar am Samstagabend bereits um 22:00 Uhr im Bett, damit ich am nächsten Tag um sechs Uhr fit für meinen langen Dauerlauf war.
Man muss eine Sache wirklich wollen, die Begeisterung dafür haben und vor allem auch auf andere Dinge verzichten können. Diesen Aspekt des Verzichtübens halte ich für sehr bedeutsam, weil wir unsere Zeit nicht managen können. Das ist ein riesengroßer Irrglaube, wenn wir über das Thema Zeitmanagement reden. Ein Tag hat nur 24 Stunden. Punkt. An dieser Tatsache können wir nichts ändern. Was wir aber tun können, ist, uns über diese 24 Stunden Prioritäten zu setzen. Und Prioritäten setzen bedeutet auch, dass wir auf andere Dinge verzichten. Wir leben doch heute in einer Überflussgesellschaft und sind häufig schon gewohnt, alles zu bekommen. Wenn wir einen neuen Fernseher brauchen, kaufen wir uns einen. Wenn wir das Bedürfnis nach Tanz und lauter Musik verspüren, gehen wir in eine Diskothek. Wenn wir einen Marathon laufen wollen, gehen wir eben trainieren. Die Beispiele wären sicherlich endlos. Doch wenn wir in unserem Leben wirklich etwas erreichen wollen, wenn wir uns einem Lebensbereich sehr intensiv widmen wollen, dann müssen wir auch bereit sein, auf etwas anderes zu verzichten. Und genau hier liegt in meinen Augen der kritische Punkt bei vielen Menschen. Sie wollen am liebsten alles gleich gut zur gleichen Zeit machen. Auf acht Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Doch ich kann nicht Vorstandsvorsitzender eines großen Unternehmens sein, in meiner Freizeit täglich stundenlang Klavier spielen, mich ehrenamtlich bei der Feuerwehr engagieren, mich gleichzeitig noch intensiv um meine drei Kinder kümmern, ein guter Ehemann sein und nebenbei noch einen Marathon in 2 Stunden 40 Minuten laufen. Das geht nicht. Doch genau das wollen scheinbar viele Menschen. Mein Motto in diesem Zusammenhang lautet: weniger ist mehr. Lieber konzentriere ich mich auf nur zwei oder drei Bereiche in meinem Leben, in denen ich über einen gewissen Zeitraum etwas bewegen möchte. Und diesen zwei bis drei Zielen schenke ich dann meine volle Aufmerksamkeit. Es gilt also herauszufinden, was man wirklich will und auf welche Dinge man gleichzeitig auch verzichten könnte. Auf was können Sie verzichten? In welchen Lebensbereichen können Sie sich einschränken, um für andere wieder mehr Zeit zu haben? Was ist Ihnen wirklich wichtig? Wo setzen Sie Prioritäten?
Bei mir hat das Laufen nicht das ganze Jahr über die Priorität eins. Je nach Jahreszeit und Saison verschieben sich die Wertigkeiten bei mir ganz erheblich. Im Frühjahr und Sommer verbringe ich sehr viel Zeit mit meinem Training und dem Sport. Dagegen nimmt der sportliche Bereich im Herbst und Winter deutlich ab. Dann verbringe ich wieder mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden. Dies gestalte ich ganz bewusst so, weil für mich eben verschiedene Lebensbereiche wichtig sind. Dazu auch später mehr im Kapitel „Erfolgsfaktor Balance“. Nochmals: Wir können nicht alles auf einmal machen. Es können nicht sechs Ziele gleichzeitig die Priorität eins haben. Ich kann auch nicht jeden Tag meine Zeit immer gleich auf Sport, Beruf und Familie aufteilen. Das ist utopisch und im Alltag nicht umsetzbar. Was ich aber tun kann, ist, meine Prioritäten zu verschieben und über einen bestimmten Zeitraum unterschiedlich zu gewichten. Wenn mein Sport und meine Abenteuer beispielsweise in den Monaten Juli, August und September eines Jahres die Priorität eins haben, dann nehmen diese in den Monaten Oktober, November und Dezember die Priorität
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