Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)
solchen, die ich nicht unmittelbar beeinflussen konnte. Und das machte mir Angst.
Entscheidend ist aber nicht, ob wir Angst haben, sondern wie wir mit unserer Angst umgehen. Wir haben dabei nur zwei Möglichkeiten: Wir können der Angst ausweichen, was zur Folge hat, dass diese immer größer wird. Oder wir können uns der Angst stellen und dadurch persönlich wachsen und uns weiterentwickeln. Auch wenn damit das Risiko verknüpft ist, dass wir Fehler machen und Rückschläge überwinden müssen. Tun Sie genau das, wovor Sie die größte Angst haben, und Sie werden dadurch am meisten profitieren. Wenn Sie beispielsweise Angst haben, vor einer Gruppe zu sprechen, dann tun Sie genau das. Machen Sie es einmal, zweimal, dreimal … Je häufiger Sie sich dieser Angst stellen, umso kleiner wird sie. Oder wenn Sie Angst haben, auf andere Menschen zuzugehen, dann sprechen Sie so oft wie möglich einen für Sie fremden Menschen an. Oder wenn Sie Angst haben, alleine in ein fremdes Land zu reisen, dann tun Sie genau das. Da spreche ich wieder aus eigener Erfahrung. Im Jahr 2001 beschloss ich zum ersten Mal, im Rahmen eines Auslandssemesters alleine für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Ich war Anfang zwanzig, hatte gerade mein Abitur gemacht und stand am Beginn meines Studiums. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie in einem Flugzeug gesessen. Außer auf Kurzreisen innerhalb Europas hatte ich noch nichts von der Welt gesehen. Länger als zwei Wochen am Stück war ich bis dato noch nie von zu Hause weg gewesen. Mein Englisch befand sich in einem katastrophalen Zustand, doch ich wollte unbedingt für drei Monate nach Toronto, an die Ostküste Kanadas. Als ich die Reise buchte, freute ich mich richtig darauf, doch je näher der Abflug nach Kanada kam, umso aufgeregter und nervöser wurde ich. Um ehrlich zu sein: Ich hatte richtig Schiss! In mir machte sich enorme Angst breit, als ich mich von meinen Eltern am Flughafen verabschiedete und alleine in den Flieger stieg. Doch als ich nach drei Monaten wieder nach Hause kam, war ich wie ausgewechselt. Ich traute mir auf einmal Dinge zu, die ich zuvor niemals getan hätte. Durch die neuen Lebenserfahrungen in Kanada war ich einfach selbstbewusster und selbstsicherer geworden. Diese drei Monate gehörten sicherlich zu den wichtigsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben bisher machen durfte. Immer, wenn ich ins kalte Wasser gesprungen bin, immer, wenn ich neue Erfahrungen erleben durfte, immer, wenn ich Veränderungen in Kauf nahm, habe ich mich in meinem Leben am stärksten weiterentwickelt und am meisten dazugelernt.
Lassen auch Sie sich auf Veränderungen ein, probieren Sie neue Dinge aus und setzen Sie sich bewusst unbekannten Situationen aus. Das müssen keine extremen sportlichen Abenteuer oder langen Reisen sein. Häufig sind es schon die alltäglichen Dinge, bei denen wir anfangen können. Lassen Sie morgen einmal Ihr Auto in der Garage und nehmen stattdessen das Fahrrad oder den Bus. Verbringen Sie jeden zweiten Tag mit einem Kollegen die Pause, den Sie noch nicht kennen. Machen Sie einen Ausflug, ohne vorher genau zu wissen, wohin. Solche Erfahrungen machen das Leben einfach lebenswerter.
Sei verrückt, denn Normalsein ist doch langweilig
Ist Individualität für Sie etwas Positives? Oder doch eher negativ behaftet? Wie sieht es mit dem Begriff „verrückt“ aus − positiv oder negativ? Ein gesundes Maß an Individualität halte ich für vollkommen in Ordnung. Darunter verstehe ich, ein wenig anders als die meisten Menschen zu sein und sein eigenes Leben zu leben, anstatt sich an äußeren Erwartungen zu orientieren und anderen Menschen anzupassen. Auch und gerade wenn man ein wenig aus dem Rahmen fällt. Denn ich glaube, dass man nicht erfolgreich werden kann, wenn man immer nur „ganz normal“ ist und mit dem Mainstream mitschwimmt. Das soll jetzt kein Aufruf zur absoluten Selbstdarstellung werden und ich möchte auch nicht Individualität um jeden Preis propagieren. Mir geht es darum, einfach ich selbst sein zu können, auch wenn man dadurch nicht immer in ein gängiges Gesellschaftsraster passt. Extremsportler ist sicherlich kein Beruf, den man im Katalog beim Arbeitsamt findet. Doch leider werden wir schon von Kindesbeinen an zum Schwimmen im gleichförmigen „Gesellschaftsstrom“ getrimmt. Bloß nicht anders sein und auffallen! „Lerne doch etwas Normales und Solides“, sagt die Mutter zu ihrem Sohn. Doch ist das „Normale“ immer auch das Beste
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