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Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Titel: Extrem: Die Macht des Willens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Bücher
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Höhenmeter. Kurzum: ein Berglauf im XXL-Format.
    Wie gewohnt, beginne ich das Rennen sehr verhalten, um meine Kräfte zu schonen. Doch das ist bei solch einem extremen Lauf nicht immer so leicht zu kontrollieren. Schon auf der ersten Etappe gilt es gleich, 47 Kilometer und über 1.400 Höhenmeter zu bewältigen. Dauerregen und Temperaturen im einstelligen Bereich begleiten uns am ersten Tag. Eine Nebelwand zieht sich tief in das Tal hinein und ich kann stellenweise nur noch ein paar Meter weit sehen. Die Kulisse hat etwas Gespenstisches an sich. Eine einzige, weiße Wand umgibt mich. Hoffentlich bin ich noch auf dem richtigen Weg? Schemenhaft kann ich vereinzelt Kühe erkennen, die auf den angrenzenden Weiden grasen. Doch auch sie machen, angesichts des trüben und ungemütlichen Wetters, keinen glücklichen Eindruck. In der Stille höre und spüre ich jeden Atemzug ganz intensiv. Mein Herz schlägt immer schneller. Kein Wunder bei diesem Mörderanstieg! Von 500 Metern geht es auf über 1.600 Meter hinauf zum Gipfel des La Dole. 1.100 Höhenmeter bergauf – am Stück! Auf ganz schmalen, schlammigen Pfaden, die durch den vielen Regen aufgeweicht sind, bewege ich mich vorwärts. Fast wie auf Schmierseife. Ein Matschloch jagt das nächste. Meine Schuhe sind mittlerweile mit einer braunen, dreckigen Soße überzogen. Ich fühle mich, als hätte ich Blei an meinen Beinen. Fast zeitlupenartig setze ich einen Fuß vor den nächsten. Der Gipfel scheint nicht näherzukommen. Was für ein brutaler Aufstieg! Die dichte Nebelwand lichtet sich ein wenig und ich kann links und rechts neben mir Geröll, Schutt, Steine und vereinzelt grüne, verlassene Weideflächen wahrnehmen. Obwohl meine Kleidung vom vielen Regen völlig durchnässt ist, ist es in meiner Kehle trocken wie in einer Wüste. Mein Puls rast, bedingt durch diesen steilen Anstieg, unaufhaltsam weiter. Ich halte alle hundert Meter kurz an, atme tief durch, nehme ein paar Züge Wasser von meiner Trinkblase und gehe dann weiter. Es ist ein Genuss, die reine, frische und kühle Bergluft einatmen zu dürfen. Diese gibt mir Kraft und neue Energie für die letzten Meter bis zum Gipfel. Anschließend folgt ein derber Abstieg. 750 Meter freier Fall. Die mit Tau und Regen überzogenen Steine laden zum Rutschen ein. Höchste Konzentration ist angesagt. Ein falscher Tritt und das Rennen kann schon vorbei sein. Plötzlich bleibe ich mit meinem linken Fuß an einer Wurzel hängen und es haut mich der Länge nach auf den schlammigen Boden. Adrenalin schießt mir in die Adern. Intuitiv stütze ich mich mit beiden Händen ab. Nach ein paar Sekunden im Schockzustand rapple ich mich wieder auf, klopfe den Dreck von mir und inspiziere meinen Körper. Außer ein paar Abschürfungen an den Händen ist nichts passiert, Glück gehabt. Wenig später erreiche ich, nach 6 Stunden und 29 Minuten, das Tagesziel in Saint Cergue.
    Der Swiss Jura Marathon hat sehr vielversprechend begonnen. So geht es auch die kommenden Tage weiter. Die ersten fünf Etappen laufen sehr gut für mich. Als ich am Ende der fünften Etappe jedoch die letzten Meter bis ins Ziel laufe, fühle ich plötzlich einen unbekannten, unangenehmen und stechenden Schmerz in mir. Genauer gesagt: am rechten Schienbein. Ich denke mir nichts weiter dabei und ignoriere den Schmerz. Dieser wird aber mit der Zeit immer schlimmer. Sobald ich mich bewege und mein rechtes Bein belaste, fühle ich mich, als würde jemand mit Hammer und Meißel auf meinen blanken Knochen schlagen. Das unter Langstreckenläufern bekannte Schienbeinkantensyndrom hat mich getroffen. Mein rechtes Schienbein schwillt immer mehr an und jeder Schritt wird zu einer einzigen Tortur. Die folgende Nacht kann ich vor Schmerzen fast gar nicht schlafen. Mein Kopf arbeitet ununterbrochen: Was soll ich jetzt bloß machen? Wie soll ich mich morgen verhalten? Die Schmerzen meines Körpers ignorieren und einfach weiterlaufen? Oder die Vernunft siegen lassen und das Rennen vorzeitig abbrechen? Nach einer grausamen, fast schlaflosen Nacht gehe ich zum Start der sechsten Etappe, laufe mit den anderen zusammen los, aber nach den ersten Metern merke ich, dass es für mich keinen Sinn mehr macht, weiterzulaufen. Jeder Schritt tut höllisch weh. Ich bleibe stehen und humple wieder zurück. Das ist ein ganz bitterer Moment! Alle Läufer bewegen sich geradeaus mit Kurs auf das nächste Etappenziel, und ich hinke als Einziger wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück zum

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