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Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Titel: Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)
Autoren: Norman Bücher
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und auch mein ungeliebtes Krafttraining zog ich konsequent drei Mal die Woche durch. Meinen gesamten Lebensrhythmus ordnete ich in den letzten Wochen und Monaten meinem Ziel „Venedig Marathon“ unter. Selbst auf einer Studienfahrt, die unmittelbar vor dem Marathon stattfand, war ich jeden Morgen diszipliniert um fünf Uhr aufgestanden und hattee mein Training durchgezogen. Sogar den feuchtfröhlichen Abenden auf dieser Reise konnte ich widerstehen, trank keinen Tropfen Alkohol und befand mich ab 22:00 Uhr im Bett, zum Leidwesen meiner Kommilitonen. Ich wollte unbedingt unter drei Stunden laufen und dafür achtete ich auf jedes Detail. Seit ich vor 2½ Jahren meinen ersten Marathon an der Deutschen Weinstraße gelaufen war, hatte ich mich kontinuierlich gesteigert, was meine Wettkampfzeiten anging. Meine aktuelle Bestzeit auf der Halbmarathondistanz war ich erst vor wenigen Wochen in Karlsruhe gelaufen: 1 Stunde, 23 Minuten und 38 Sekunden.
    Nach monatelanger intensivster Vorbereitung bin ich vor vier Tagen in Venedig angekommen, um mich hier noch etwas zu akklimatisieren und zu entspannen. Es scheint an diesem Wochenende fast alles zu passen. Es herrschen optimale äußere Bedingungen für das Laufen: Kein Wind, angenehme zwanzig Grad und der Himmel ist immer leicht bewölkt. Und dann diese fantastische Kulisse, die mich umgibt: Piazza San Marco, Dogenpalast, Markusdom, die traumhafte Lagune und die vielen wunderschönen Inseln. Venedig zählt in meinen Augen zu den schönsten Städten der Welt. Auch deshalb habe ich mir diese Stadt für meinen Rekordversuch ausgesucht. Peng! Endlich erklingt der Startschuss. Die Eliteläufer rennen los, als ginge es um Leben und Tod. Im dichten Gedränge versuche ich zunächst meinen Rhythmus zu finden. „Nur nicht zu schnell beginnen“, sage ich mir. 4 Minuten und 15 Sekunden pro Kilometer will ich laufen und das über 42,195 Kilometer. Es läuft rund, und nach zehn gelaufenen Kilometern zeigt meine Uhr 42 Minuten und 36 Sekunden an. Genau im Plan. Meine Arme pendeln fast automatisch hin und her und meine Beine bewegen sich leichtfüßig und gleichmäßig auf und ab − wie ein Schweizer Uhrwerk. Mir scheint es, als schwebe ich über den grauen und harten Asphalt. Jede einzelne Bewegung verläuft flüssig und geschmeidig. Meine Gedanken sind nur im Hier und Jetzt, bei jedem Schritt, bei jedem Atemzug. Um mich herum nehme ich nichts und niemanden wahr. Nach der Halbmarathondistanz stoppe ich 1 Stunde, 30 Minuten und 14 Sekunden. Es läuft weiterhin alles nach Plan. Beim nächsten Verpflegungspunkt nehme ich eine halbe Banane und einen Becher Wasser zu mir, während des Laufens. Ich will in meinem Laufrhythmus bleiben und keine kostbare Zeit verlieren. Jede Sekunde kann am Ende zählen. Nach dreißig gelaufenen Kilometern kommt plötzlich, ohne Vorwarnung, der berühmt-berüchtigte „Mann mit dem Hammer“. Und bei mir hat er gleich einen richtig großen dabei, den er mir gnadenlos verpasst. Bei jedem Schritt spüre ich ihn. Ich breche total ein und muss mein Tempo drosseln. Als hätte jemand den Akku aus der Steckdose gezogen. Meine rechte Wade zuckt zusammen, als würde mir jemand ein Messer hineinrammen. Ich muss kurz stehen bleiben. Meine Kilometerzeiten werden immer langsamer: 4 Minuten und 20 Sekunden, 4 Minuten und 23 Sekunden, 4 Minuten und 28 Sekunden, 4 Minuten und 32 Sekunden. In diesem Moment realisiere ich, dass es vorbei ist. Ich kann mein Ziel nicht mehr erreichen. Fast wie mechanisch setze ich weiterhin einen Fuß vor den anderen. Hechelnd und mit schmerzverzerrtem Gesicht versuche ich noch einmal das Letzte aus meinem Körper herauszuholen. Doch dieser will sich am liebsten in ein großes Bett legen, einfach nur erholen und nicht mehr laufen müssen. Endlos erscheinende sieben Kilometer liegen noch vor mir. Ich verfluche diese Strecke. Ich verfluche jeden einzelnen Kilometer. Ich verfluche jeden Schritt, den ich noch zu laufen habe. In meinem Inneren breiten sich Frust und Enttäuschung aus. Von Weitem sehe ich den markanten Dogenpalast von Venedig. Es kann nicht mehr weit bis zum Ziel sein. Eine letzte Brücke und ein letzter sanfter Anstieg, doch diese scheinen meinen allerletzten Energiereserven zu verbrennen. Nichts scheint mehr zu gehen. Dann sehe ich endlich den Markusplatz und das Ziel. Nach 3 Stunden, 8 Minuten und 31 Sekunden laufe ich über die Ziellinie. Ein junges Mädchen überreicht mir meine Finisher-Medaille, doch ich
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