Extrem laut und unglaublich nah
Wilson Schaef, Jack Warner Schaefer, Iris Scharmel, Robert Haven Schauffler, Barry Scheck, Johann Scheffler, Jean de Schelandre … Und dann fand ich die Karte: Schell.
Zuerst war ich froh, weil ich dachte, dass meine Mühe doch noch von Erfolg gekrönt war, weil ich Dad zu einem großen Mann gemacht hatte, der biographisch bedeutend war und in Erinnerung blieb. Aber als ich einen Blick auf die Karte warf, musste ich feststellen, dass es gar nicht die von Dad war.
OSKAR SCHELL: SOHN
Ich wünschte, ich hätte gewusst, dass ich Mr Black nicht meh r wiedersehen würde, als wir uns an dem Nachmittag die Han d gaben. Ich hätte seine Hand nicht losgelassen. Oder ich hätt e ihn gezwungen, mit mir weiterzusuchen. Oder ich hätte ihm erzählt, dass Dad angerufen hatte, als ich zu Hause war. Aber ich hatte es nicht gewusst, genau wie ich nicht gewusst hatte, dass Dad mich damals zum letzten Mal gut zudeckte, denn man weiß es nie. Als Mr Black sagte: »Ich will nicht mehr. Ich hoffe, du verstehst das«, sagte ich also: »Ich verstehe«, obwohl ich es eigentlich nicht verstand. Ich fuhr nie zur Aussichtsplattform des Empire State Building hinauf, denn ich stellte mir lieber vor, dass er dort war, als wirklich nachzuschauen.
Ich suchte weiter nach dem Schloss, nachdem er mir gesagt hatte, er wolle nicht mehr, aber es war nicht mehr das Gleiche.
Ich fuhr nach Far Rockaway und Boerum Hill und Long Island City.
Ich fuhr nach Dumbo und Spanish Harlem und in den Meat packing District.
Ich fuhr nach Flatbush und Tudor City und Little Italy.
Ich fuhr nach Bedford-Stuyvesant und Inwood und Red Hook.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass mich Mr Black nicht mehr begleitete, oder daran, dass ich so lange mit dem Mieter Plänefür das Ausgraben von Dads Sarg geschmiedet hatte, oder einfach daran, dass ich so lange vergeblich gesucht hatte, aber ich hatte nicht mehr das Gefühl, Dad näher zu kommen.
Der letzte Black, den ich besuchte, hieß Peter. Er wohnte in Sugar Hill, das ist in Hamilton Heights, und das ist in Harlem. Als ich ins Haus ging, saß ein Mann auf der Treppe. Er hatte ein Baby auf den Knien, mit dem er sich unterhielt, obwohl Babys noch gar nicht sprechen können, versteht sich von selbst. »Sind Sie Peter Black?« »Wer fragt das?« »Oskar Schell.« Er klatschte mit der Hand auf die Stufe, was offenbar hieß, dass ich mich neben ihn setzen konnte, wenn ich wollte, und das fand ich nett, aber ich blieb lieber stehen. »Ist das Ihr Baby?« »Ja.« »Darf ich sie streicheln?« »Ihn.« »Darf ich ihn streicheln?« »Klar«, sagte er. Ich konnte nicht glauben, wie weich sein Kopf war, und wie klein seine Augen und Finger waren. »Er ist sehr verletzbar«, sagte ich. »Ja, das ist er«, sagte Peter, »aber wir passen gut auf ihn auf.« »Bekommt er normales Essen?« »Noch nicht. Im Moment nur Milch.« »Schreit er viel?« »Würde ich schon sagen. Mir kommt es jedenfalls viel vor.« »Aber Babys können nicht traurig sein, oder? Wenn er schreit, ist er bloß hungrig oder so.« »Das weiß man nie so ganz genau.« Ich fand es toll, wie das Baby die Fäuste ballte. Ich fragte mich, ob es denken konnte oder eher eine Art nicht menschliches Tier war.»Möchtest du ihn mal halten?« »Das ist keine besonders gute Idee.« »Warum nicht?« »Ich weiß nicht, wie man ein Baby hält.« »Wenn du willst, zeige ich es dir. Ist ganz einfach.« »Okay.« »Dann setz dich«, sagte er. »Also: Eine Hand legst du hierhin. Prima. Genau richtig. Die andere legst du ihm hinter den Kopf. Gut. Dann drückst du ihn an deine Brust. Gut. Genau so. Wunderbar. Ganz genau so. Wohler kann er sich nicht fühlen.« »Mache ich das gut?« »Du machst das super.« »Wie heißt er?« »Peter.« »Ich dachte, so heißen Sie.« »Wir heißen beide Peter.« Daraufhin fragte ich mich zum ersten Mal, warum ich nicht nach Dad benannt worden war, aber ich fragte mich nicht, warum der Mieter Thomas hieß. Ich sagte: »Hallo, Peter. Ich beschütze dich.«
Als ich nachmittags nach Hause kam, war ich nach acht Mo naten Suche in New York erschöpft und frustriert und pessi mistisch, dabei hatte ich doch eigentlich glücklich sein wollen.
Ich ging in mein Labor, aber ich hatte keine Lust auf ir gendwelche Experimente. Ich hatte keine Lust, Tamburin zu spielen oder Buckminster zu verhätscheln oder meine Samm lungen neu zu ordnen oder in meinem Was-ich-erlebt-habe – Al bum zu blättern.
Mom hatte es sich mit Ron im Wohnzimmer gemütlich ge macht, obwohl
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