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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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ja, verspielt hamma. Aber probieren haben wir es müssen. Das verstehen Sie doch, oder?“
    „Ob Sie’s glauben oder nicht, das verstehe ich wirklich. Aber ich hoffe, Sie verstehen, dass ich Sie mitnehmen muss. Sie alle drei.“
    „Tja, das lässt sich wohl nicht vermeiden. Wie viel Zeit haben wir?“
    „Sagen wir dreißig Minuten.“
    „Wenn Sie bitte hier auf der Veranda warten.“ Das Buch nahm die Seiler mit. Bronstein setzte sich auf ihren Stuhl, der ihm noch etwas von der Körperwärme der Seiler abzugeben schien, und rauchte eine weitere Zigarette. Was war das nur für ein merkwürdiger Fall? Für ein grotesker, unglaublicher, bizarrer, unerhörter Fall? Und wie gelassen hier alle reagierten! Es war wie in einer antiken Tragödie. Alle Handelnden setzten wie nach einem unabänderlichen Fatum konsequent Schritt um Schritt, im vollen Bewusstsein dessen, was zwangsläufig folgen musste. Und sie nahmen ihr Schicksal auf sich, als wüssten sie,dass ihr Tun eben auch den festgesetzten Preis verlangte. Bronstein konnte nicht anders, als tiefen Respekt vor diesen Frauen zu empfinden. Er gestand sich ein, er hätte sein eigenes Schicksal auch gerne so souverän gemeistert, wie diese drei Personen es ihm eben vorzeigten. Mit welcher Gelassenheit die in ihre Knechtschaft gingen! Bemerkenswert. Absolut bemerkenswert.
    Zwei Zigaretten später stand die Seiler, mit einem Seesack unter ihrem rechten Arm, in der Tür. Hinter der Seiler wurde Bronstein der etwas verschüchtert wirkenden Breuer ansichtig. Die Seiler riss den Kopf hoch: „Alsdern, pack ma’s.“
    Die drei legten den Weg zu Kati Hildebrand schweigend zurück. Bronstein hielt sich nobel zurück und gestand den Frauen noch einmal zehn Minuten zur wechselseitigen Verabschiedung von der Mutter zu, dann aber war der Moment der Abreise unaufschiebbar gekommen. Er führte die kleine Kolonne zum Bahnhof, wo er davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der nächste Zug nach Wien um 14 Uhr abfahren würde. Die Wartezeit verbrachte jeder auf seine Weise, zumeist den eigenen Gedanken nachhängend. Als der Zug endlich einfuhr, nahm Bronstein den drei Frauen das Ehrenwort ab, dass sie keinerlei Fluchtversuche unternehmen würden, und ließ ihnen im Gegenzug ein eigenes Abteil, während er sich in das Nachbarabteil setzte. Für einen Wachhund war er sich, zumal unter solchen Umständen, entschieden zu schade.
    Die Fahrt verlief quälend langsam. Der Zug hielt alle paar Kilometer. In Marchtrenk, in Linz, in Leonding, in St. Valentin, in Haag. Bronstein hätte sich an einem derart schönen Tag wirklich etwas Besseres gewusst, als drei unschuldig Schuldige ins Graue Haus zu eskortieren. Doch er war nun einmal seinem Diensteid verpflichtet, und der Dienst, das war kein Honiglecken. War es nie gewesen. Und doch wünschte er sich, er hätte einen ganz anderen Fall an der Hand, einen, bei dem er Triumphgefühle entwickeln konnte, weil er einen schändlichenBösewicht zur Strecke gebracht hatte. Tja, wann war das Leben jemals gerecht gewesen?
    Als der Zug endlich St. Pölten erreichte, war es beinahe 16 Uhr. Im Präsidium würde er niemanden mehr antreffen. So viel stand fest. Wohin dann aber mit den Frauen? Ins Landesgericht? Ausgeschlossen! Dort würden sie sofort und dauerhaft eingesperrt, noch ehe er, Bronstein, sich irgendeine Strategie überlegen konnte. Dort würden ihm diese arroganten Juristen einfach die Frauen abnehmen, Antrag auf Untersuchungshaft stellen, sich denselben bewilligen, und schon würden die Hildebrand, die Breuer und die Seiler im finstersten Loch des Einserlandls verschwinden. Nein, es musste eine bessere Lösung geben. Einen Ort, wo er ganz offiziell eine Einvernahme durchführen konnte, ohne dass sich irgendjemand dafür interessieren würde, was er da überhaupt tat. Am besten ein Ort, an dem nach 18 Uhr garantiert niemand mehr arbeitete, sodass auch wirklich niemand Fragen stellen konnte.
    Bronsteins Gesicht erhellte sich. Der Justizpalast.
    Dort war er sicher. Erstens waren die dort Beschäftigten aus Prinzip viel zu hochnäsig, um sich um irgendetwas anderes als sich selbst zu kümmern, zweitens war dort nach 17 Uhr schon überhaupt niemand mehr anzutreffen außer dem Journaldienst, und drittens war das eine hochoffizielle Adresse, mit der er sich jederzeit erfolgreich rechtfertigen konnte, wenn man ihn fragte, weshalb er sich nicht an das LG 1 gewandt hatte.
    Und da nun Zeit keine Rolle mehr spielte, steuerte er, nachdem man endlich den Westbahnhof

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