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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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aufsuchen.«
    »Muss das sein?« Hugh Chapman war einer der PR-SPEZIALISTEN, die bei der Präsentation zugegen waren.
    »Randall möchte, dass Sie in drei Tagen das nächste Treffen leiten.«
    Colin starrte sie an. »Ich?«
    Sie nickte, »Und jemand von der Polizei möchte Sie sprechen.«
    »Polizei?«
    »Wegen Arthur.«
    Er sah sie traurig an.
    »Ein Inspektor McGuffin.«
    »Toller Name«, grummelte Colin. »Ist das alles?«
    »Vorerst.«
    Colin Darcy, müde und durcheinander, schloss die Tür seines Büros hinter sich und tat etwas, was er noch niemals zuvor getan hatte: Er legte die Füße auf den Tisch. Er konnte nicht sagen, warum er das tat. Normalerweise saß er nicht in seinem Sessel, zurückgelehnt und tagträumend, und hatte die Füße samt Schuhen auf der Tischplatte liegen.
    Jetzt schon.
    Er schloss die Augen und dachte daran, was seine Mutter ihm erzählt hatte, als er einmal sein Mittagsessen nicht aufgegessen hatte. Keine sechs Jahre mochte er alt gewesen sein. Es hatte noch keinen Danny gegeben, nur ihn. Er war allein gewesen in Ravenscraig. Allein, allein, allein, hallte es in seinem Kopf.
    »Drüben auf der anderen Straßenseite lebte einmal ein Junge, der nie seine Schulbrote aufgegessen hat. Weißt du, was mit ihm passiert ist?« Ganz leise war es im Raum geworden und irgendwie kälter, als Helen Darcy die Geschichte von dem Nachbarsjungen erzählt hatte. »Der Mund ist ihm zugewachsen, genau hier, wo die Lippen aufeinandertreffen. Er konnte nur noch durch die Nase atmen, und wenn er erkältet war, dann hatte er eine panische Angst zu ersticken.«
    Es fröstelte ihn, wenn er daran dachte. Er hörte die Stimme seiner Mutter, die leise und sanft war, doch unter der Oberfläche undurchsichtiges Eis.
    Die Geschichte war da, wie manche Geschichten eben da sind, wenn es an der Zeit ist aufzutauchen.
    »Glaubst du, dass Mama böse ist?«, hatte Danny ihn einmal gefragt.
    »Manchmal ist sie das.«
    »Sie ist zu dir Öfter böse als zu mir.«
    »Glaubst du?«
    Danny hatte genickt. Colin erinnerte sich an den Herbsttag. Das Laub war vor ihnen hergeweht. Danny war sieben gewesen, Colin fünfzehn. »Sie sieht dich an, wie sie Papa ansieht«
    Colin Öffnete die Augen.
    Die düsteren Wolken hatten sich ein wenig verzogen, und ein dünner Sonnenstrahl streifte über die grünen Wiesen im Park. Hatte er früher nicht geglaubt, dass sie eine normale, glückliche Familie gewesen waren? Glaubte nicht jedes Kind das von seiner eigenen Familie?
    »Wo steckst du nur?«, fragte er in den leeren Raum hinein und meinte Danny.
    Dann klopfte es an der Tür.
    Hugh Chapman betrat den Raum. Er trug einen dunklen Anzug und sah aus wie einer der Kerle auf den Coverseiten der Modemagazine.
    »Fassen Sie sich kurz, ich muss heute Mittag nach Luton.«
    »Sie fliegen fort?«
    »Schottland.«
    Chapman ließ keine Regung erkennen. »Das Timephone ist technisch ausgereift, das haben die SigmaCom-Leute betont, aber die Sache mit den Earth 'n Eco Watchcrs tut nicht gut, nein, tut gar nicht gut.«
    Das Timephone war das Gerät, um das es ging. Sigma-Coms Vorreiter in der Welt der Smartphones. In den vergangenen Jahren hatten sie eine neue hochauflösende Bildschirmkonfiguration entwickelt, die weit mehr als die bisher üblichen WAP-Browser leistete. Man konnte eine Vergrößerung des Bildschirms auf die Tischplatte, die Wand oder irgendeine andere glatte Fläche projizieren. Anfangs hatten die Bilder noch stark geflackert, aber all das war jetzt behoben.
    »Okay, manche Testpersonen klagen noch immer über ein leichtes Schwindelgefühl, aber das ist nicht weiter schlimm.« Hugh Chapman fischte sich seine Elvis-Tolle aus der Stirn.
    Colin schaute auf. Hatte er »nicht weiter schlimm« gesagt?
    »Wir führen das auf die Instabilität der Projektoren zurück, wissen Sie?«
    Nein, hatte er nicht gewusst.
    Er nickte trotzdem.
    Eigentlich interessierte es ihn gar nicht.
    Und aus einem Grund, den er nicht kannte, musste Colin plötzlich an die Melodie einer Trompete denken, die ein Mexikaner in einem Western spielt. Die Töne waren klar und deutlich, und es war definitiv nicht Tie a yellow ribbon round the ole oak tree, was er da hörte.
    Hugh Chapman, der mit seinem Blondschopf wie ein Sportler aussah, den man in einen Anzug gesteckt hatte, sagte: »Der Sender des Timephone ist zugegebenermaßen ein wenig ... stark.«
    Sah er gerade so aus, als wollte er etwas verbergen?
    »Und das bedeutet?«, hakte Colin nach.
    »Es könnten natürlich

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