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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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hinkommt, selbst im Herbst und im Winter,«
    Sag mir etwas, was mich interessiert, dachte Colin.
    Livia drehte sich zu ihm um und grinste. Er war also nicht der Einzige, dem Miss Robinson komisch vorkam.
    »Die Teppiche auf den Treppenstufen haben wir auch entfernt. Deiner Mutter gefielen die Muster nicht mehr. Und die Vase mit den Szenen aus der Sage von Gawain und dem grünen Ritter ist kaputtgegangen. Eine Katze hat sich ins Haus gestohlen und ...« So ging es weiter und weiter und weiter und weiter. Miss Robinson wusste zu fast jedem Gegenstand, den sie passierten, etwas zu erzählen. Colin latschte ihr hinterher und fragte sich, wie lange er sich das Gequatsche noch anhören musste, doch dann wurde ihm bewusst, dass Miss Robinson eigentlich nur versuchte, sein ehemaliges Zuhause zu erklären. Sie wusste, dass er sieben lange Jahre nicht hier gewesen war, und dieses Gequatsche war ihre Art zu sagen, dass das Haus sich freute, ihn zu sehen.
    Irgendwie rührte ihn dieser Gedanke ...
    Nein!
    Colin Darcy mochte Ravenscraig noch immer nicht.
    Er spürte, dass er eine Gänsehaut bekam, je tiefer ins Innere er vordrang. Nicht einmal der Geruch hatte sich verändert, nein, kaum zu glauben war das, auch nach all den Jahren nicht. Es roch noch immer nach einer Mischung aus Holz und Teppich und Ölgemälden, ein Geruch, so schwer wie die Bilderrahmen, die wie Mauern einfassten, was Archibald Darcy als atmende Szenen der Natur bezeichnet hatte.
    Die meisten Bilder, die jetzt hier unten hingen, zeigten dichte Wälder mit Lichtungen und weite Seen mit tiefdunkel glänzenden Oberflächen, gewundene Bäche, die das Plätschern des Wassers über Steine erahnen ließen und grüne Wiesen voller Blumen, schroffe Klippen, ein tosendes Meer und dazu uralte Leuchttürme von dem Typ, wie Stevenson sie einst entworfen hatte.
    Plötzlich blieb Colin stehen.
    »Was hast du?« Livia fasste ihn an der Hand.
    Doch Colin stand nur da und starrte das Bild an, das vorher nicht hier unten, sondern im zweiten Stock gehangen hatte, eben dort, wo früher sein Zimmer gewesen war.
    »Was ist los?«, wiederholte Livia ihre Frage.
    Auch Miss Robinson und Constable Plummer waren stehen geblieben.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte der Constable.
    »Du siehst ganz bleich aus«, stellte Miss Robinson fest.
    Und Colin Darcy, der das Bildnis anstarrte, dachte, dass das genau den Punkt traf. Er fühlte sich ganz blass. Er fühlte sich durch und durch bleich und schwach und war mit einem Mal wieder fünfzehn Jahre alt. Livia war verschwunden, und er hatte sich die Beschimpfungen anhören müssen, die ihr wütender Vater sich für ihn aufgehoben hatte. Dann hatte er sich betrunken, von dem Geld, das er noch in der Tasche gehabt hatte.
    Es war das erste Mal gewesen, dass er so viel Alkohol getrunken hatte, daher hatte es nur einer geringen Menge Alkohols bedurft, um ihn betrunken zu machen. Er hatte sich einfach nur elend gefühlt, und dann war er durch die Straßen nach Hause getorkelt, hatte geflucht und gegen Gegenstände auf der Straße getreten. Doch er hatte nach Ravenscraig zurückgefunden, selbst in seinem Zustand und selbst in tiefster Nacht.
    Heimlich hatte er sich ins Haus hineinstehlen wollen.
    Mit Müh und Not hatte er den Schlüssel ins Schloss stecken können, war leise, leise, ach, so leise, eingetreten und auf Samtpfoten nach oben in Richtung seines Zimmers geschlichen.
    Andauernd hatte er sich mit beiden Händen an den Wänden abstützen müssen, so betrunken war er gewesen. Er hatte ein Guinness nach dem anderen getrunken, um sein Mädchen zu vergessen. Wie die Helden in den alten Hollywood-Filmen, die er so oft mit Danny gesehen hatte, war er in den nächstbesten Pub gegangen. Dort hatte er zu trinken begonnen und sich ziemlich schnell wie Robert Mitchum oder Dean Martin gefühlt, Spucknapf inklusive.
    »Colin Darcy!« Nicht einmal die schneidende Stimme seiner Mutter war ein Grund gewesen, nüchtern zu werden.
    »Ich bin spät dran«, lallte er, »ist einfach passiert.«
    Helen Darcy, die ihm zweifelsohne aufgelauert hatte, sagte: »Du weißt, dass Trunkenbolde ein böses Ende linden.« Sie deutete zu der Wand, an welcher der Junge lehnte. »Und du kennst dieses Bild.« Eine Frage war das nicht, eher schon eine Drohung.
    Colin drehte den Kopf und war mit einem Schlag nüchtern. Er ahnte, was passieren würde.
    »Du kennst die Geschichte, die zu diesem Bild gehört, ich habe sie dir schon einmal erzählt.«
    Colin ließ die Wand

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