Fabula
gewünscht. Sie sei schwanger, und es sei ihr scheißegal, wo Danny jetzt stecke, und, nein, sie habe keine Ahnung, warum er nach Schottland geflogen sei, der Mistkerl, und wenn ich ihn linden sollte, dann könnte ich ihm ausrichten, dass er sich bei ihr nie wieder blicken lassen soll.« »Das war alles?«
»Ja. Sic hat cinfach aufgelegt.«
»Mist«, murmelte Livia und hörte sich schon an wie Colin.
»Sie klang, als müsste sie gleich weinen.«
»Ach, Mist«, wiederholte Livia, und dann fragte sie zögerlich: »Glaubst du, dein Bruder hat das getan?«
»Sie betrogen?«
»Was sonst?«
»Ich weiß es nicht.« Noch immer hielt er das Mobiltelefon in der Hand, als sei es ein magischer Gegenstand. »Wir haben uns schon vor einiger Zeit aus den Augen verloren.«
Was wusste er denn schon über Danny?
Über dessen Leben in Amerika.
»Danny war nie jemand, der unehrlich war.« Das immerhin wusste er, und daran glaubte er, auch jetzt noch.
»Darf ich?« Sachte, fast zärtlich, nahm ihm Livia das Mobiltelefon aus der Hand. Es war silbern und ganz flach, man konnte damit fotografieren und Filme aufnehmen. Es war sozusagen die Mutter des Timephone , an das jetzt alle dachten.
»Es sieht schön aus«, stellte sie fest.
Colin wusste nicht so recht, was sie meinte. Aber so war Livia, schon damals. Man wusste nie so recht, wie sie das, was sie sagte, meinte, bevor sie etwas tat, was es einen verstehen ließ.
In diesem Fall stand sie einfach nur auf, und ehe Colin sich T s versah, war sein neues, schönes und äußerst llaches Telefon ein spontan (liegender Blitz aus Silber, in dem sich die Sonne, die nur kurz zwischen den Wolken hervorlugte, ein allerletztes Mal brach, bevor es schließlich mit einem entfernten und winzig leisen Platsch irgendwo da draußen von den Wellen verschluckt wurde.
»Das war mein Telefon«, protestierte Colin, zugegebenermaßen ein wenig hilflos, weil er das, was Livia Lassandri da gerade getan hatte, weder verstand noch irgendwie zuordnen konnte. Und erst recht nicht guthieß. Und schon gar nicht rückgängig machen konnte.
»Es war einfach zu schön«, stellte sie fest.
»Was?«
»Wie der Apfel in dem Märchen. Schneewittchen.«
Er sprang wütend auf die Beine. »Das da war mein Telefon!« Der Zorn stieg ihm in den Kopf, ein wenig zeitverzögert, aber immerhin. »Meine Güte, alle wichtigen Nummern waren dort programmiert.« Er zeigte zum Meer hinaus, mit ausgestrecktem Arm.
»Das war dein London-Leben.«
»Ich brauche es.«
»Tust du nicht.«
»Doch.«
»Deswegen«, sagte Livia mit ruhiger Stimme, »sagt es jetzt den Fischen Hallo.«
Sie kam auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen, gab ihm einen Kuss auf die Nase. »Und jetzt«, sagte sie, »lass uns gehen. Tch wohne gleich da oben.« Sie schnappte sich ihre Schuhe und ging vor.
Colin stand noch einen Augenblick lang regungslos am Wasser und sah dorthin, wo sein London-Leben gerade versunken war.
Dann schnappte er sich seine Schuhe und schüttete den feinen Sand aus und folgte Livia, wohin auch immer.
»Hier bin ich daheim«, sagte sie.
Colin trat ein.
Die kleine Kate mit dem Dach, das tatsächlich die Grashalme berührte, war ein einziges hohes Studio voller Bilder und bunt durcheinander aufgestellter Möbelstücke.
Noch volle und halb ausgedrückte Farbtuben lagen verstreut auf dem Boden und den Regalen und einige auch auf den Tischen. Bücher und Zeitschriften stapelten sich daneben. Kaffeetassen und Geschirr bildeten kleine Inseln in dieser Wildnis aus Gegenständen, in die Livia Lassandri ihn hineinführte.
Hoch oben, an den nackten Dachbalken, hingen Blumentöpfe und bunte Lampen. Wie Lianen baumelten sie herab. Es gab eine Kochecke, ein uraltes Bett mit gusseisernem Gestell, das schon vor hundert Jahren hier an diesem Ort gestanden haben mochte, dazu einen Zeichentisch, auf dem sich ein unglaublich hoher Berg Papier türmte.
»Das ist mein Leben«, stellte sie Colin den Raum vor. »Ich male. Und ich gebe Kurse für Anfänger, drüben in Portpatrick und manchmal auch in Stranraer.«
Colin trat vor eines der Bilder. Wilde runde Farbkleckse wurden von einem Geflecht aus feinen Strichen durchzogen.
»Das ist alles sehr bunt«, sagte er.
»So bin ich eben.« Niemand hatte jemals irgendwo behauptet, dass man als ein Friedhofsmädchen nicht bunt sein durfte.
Sie warf ihre Jacke über einen Stuhl und ging in die Ecke, die ihr eine Küche war. An einem uralten Herd drehte sie das Gas auf und stellte einen noch
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