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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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die Bettkante.
    Auch der Türrahmen war voller Bienen.
    Das ganze Zimmer sah jetzt so aus, als befände man sich im möblierten Inneren eines gigantischen Bienenstocks. Colin wusste mit einem Mal, dass er eingesperrt war und nur die seltsame Frau in Weiß den Schlüssel hatte, der es ihm ermöglichen würde, diese verwunschene Szenerie irgendwann zu verlassen.
    »Lassen Sie uns mit der Tür ins Haus fallen«, sagte Madame Redgrave. »Manchmal muss man das tun. Manchmal muss man viele Dinge tun, von denen man nicht gedacht hat, dass man sie einmal tun muss. Manchmal ist manchmal ein Wort, das man wirklich häufig benutzen muss.« Sie grinste. »Naja, manchmal auch nicht.« Sie wartete nicht ab, ob er etwas dazu zu sagen hatte, sondern fiel, wie versprochen, mit der Tür ins Haus: »Ich bin auf der Suche nach Ihrem Bruder, Mr. Darcy. Nach Daniel Darcy, denn er schuldet mir etwas.« Eine Biene kroch ihr über die Stirn. »Alles rein geschäftlich, wenn ich anmerken darf.« Sie zog den Hut vom Kopf, und eine Wolke neuer Tiere erhob sich in die Luft.
    Danny hatte etwas mit dieser Frau zu tun gehabt?
    Was war hier nur los?
    »Ich sehe Ihnen die Verwirrung an, Mr. Darcy. Das ist durchaus nicht ungewöhnlich, seien Sie also nicht verwirrt. Ich bin es gewohnt, dass die Menschen mir gegenüber zuweilen etwas befremdlich reagieren.« Sie lächelte ihr Eislächeln. »Aber lassen Sie mich Ihnen erklären, was geschehen ist.« Sie seufzte, als würde sie bedauern, was passiert »Wo ist Danny jetzt?«, fragte Colin.
    »Das«, sagte sie, »sollen Sie für mich herausfinden. Deswegen bin ich hier. Ich habe keine Ahnung, wo sich Ihr Bruder in diesem Moment aufhält. Und das ist auch genau das, was er beabsichtigt. Er versteckt sich vor mir, weil er denkt, so seine Schuld nicht begleichen zu müssen.« »Welche Schuld?« Wovon, in aller Welt, redete diese Frau?
    »Es war ein Geschäft, nichts weiter. Ihr kleiner Bruder suchte mich vor wenigen Tagen in New York auf. Jemand hatte ihm meine Adresse genannt. So funktioniert das für gewöhnlich. Jemand, der mit meiner Arbeit zufrieden war oder vielleicht jemanden kennt, der mit meiner Arbeit zufrieden war, irgendjemand also gibt meine Adresse weiter, und jemand anders sucht mich auf. Dieser neue Jemand bittet mich um eine Gefälligkeit, und ich nenne ihm den Preis. Der Jemand sieht, dass ich tue, was ich versprochen habe, und dann zahlt auch dieser Jemand.« Sie fauchte mit einem Mal wütend und sah aus wie ein Tier, das richtig hungrig ist. »Daniel Darcy hat den Preis noch nicht gezahlt. Er hat seine Schuld nicht beglichen. Er hat sich davongeschlichen, und ich habe keine Ahnung, wo er steckt.«
    »Ich auch nicht«, sagte Colin.
    Sie hob die Hand und gebot ihm zu schweigen. »Seien Sie vorsichtig, wenn Sie Dinge sagen wie diese. Manche Menschen kennen die Wahrheit selbst dann nicht, wenn sie ihnen ins Gesicht spuckt. Aber Lüge bleibt Lüge. Das war schon immer so.«
    Colin war durcheinander und bemühte sich, der seltsamen Frau in Weiß und ihren Ausführungen zu folgen.
    Er versuchte es mit einer Frage. »Was hat Danny denn getan?«
    Madame Redgrave beruhigte sich. »Er bat mich darum, seine Mutter zu beseitigen.«
    Colin hatte ein Gefühl, als bliebe ihm die Luft in der Kehle stecken.
    Das hat er getan?
    Es klang beängstigend.
    Doch dann kam ihm noch ein Gedanke.
    Wow\ Sonst nichts, einfach nur: Wow\ »Wie gesagt, er suchte mich in New York auf.« Bevor Colin eine Frage stellen konnte, redete sie einfach weiter: »Ich lebe an vielen Orten, müssen Sie wissen, so ist das nun mal bei mir.« Dann fuhr sie fort: »Er bat mich, Helen Darcy zu beseitigen. Es sei jetzt endlich an der Zeit, das waren seine Worte.«
    »Warum?«
    »Sie sind doch Brüder. Sie kennen Ihre Mutter besser als ich. Ich habe Ihren Bruder nicht nach einem Grund gefragt, das ist nicht meine Art. Ich wollte nur von ihm wissen, ob er den Preis zu zahlen bereit war, das war alles.« Sie funkelte Colin an. »Sagen Sie, fällt Ihnen kein einziger Grund ein, weshalb er sich Helen Darcys entledigen wollte?«
    Colin dachte natürlich an tausend Gründe. Aber keiner davon würde das alles hier rechtfertigen.
    »Damit Sie mich nicht falsch verstehen«, fuhr sie fort, »er bat mich nicht darum, Helen Darcy zu töten.« Ein wenig entrüstet fügte sie hinzu: »Ich bin kein Killer, das wäre beleidigend.« Sie fand zu ihrer Ruhe zurück, und Colin bemerkte, dass sich die Bienen so verhielten wie die Frau in Weiß. »Nein, die

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