Fabula
Darcy-Jungs aus Ravenscraig Mist gebaut hatte.
Helen Darcy war stinksauer.
Am Abend lief Danny keuchend und schreiend in seinem Zimmer herum, weil er keine Augen mehr hatte. Man hörte von draußen, wie er mit dem Kopf gegen den Schrank stieß, Möbelstücke umfielen und er wieder und wieder vor Schmerzen aufschrie. Irgendwann durfte Colin dann zu ihm, wie immer, und als er die Tür aufmachte, da sah er, dass Danny Münzen in den Augen stecken hatte. Die Münzen bewegten sich, wenn er nach rechts oder links zu schauen versuchte, in eben jene Richtung. Statt der Zunge hing ihm eine Zehnpfundnote aus dem Mund, feucht und klebrig. Die Tränen, die er weinte, sahen aus wie Rost, und Colin erkannte, dass sie dort, wo sie die Haut berührten, winzige Verbrennungen zurückließen, als wären sie eine Art von Säure.
Er lief zu Danny hin und tat das, was er immer tat. Er erzählte ihm eine Geschichte, die alles wieder gut machte.
Als es schließlich vorbei war, wollte er wissen, warum Danny sich in der Kirche so aufgeführt hatte. »Du weißt doch, dass Mama das nicht mag.«
»Ich wollte sein wie er«, erklärte Danny und zeigte seinem Bruder das Buch, das auf seinem Nachttisch lag. Es war eine Bilderbuchausgabe der Abenteuer von Robin Hood. »Ich wollte sein wie Robin von Locksley. Die Kirche ist doch reich genug. Überall haben sie goldenes Zeug und so. Und in der Geschichte sind die fetten Bischöfe auch immer die Bösen.«
»Oh, Danny.« Colin streichelte ihm den Kopf, ganz sachte.
»Drüben beim Supermarkt sitzt doch die Zigeunerin mit dem Kind. Du weißt schon, die uns immer anbetteln und derentwegen Mama jetzt nicht mehr dorthin geht.«
»Du wolltest es ihnen geben?«
Er nickte nur. »Sie hätten sich bestimmt darüber gefreut. Die Schuhe der Frau sind ganz kaputt. Und es wird bald Herbst.« Seine Finger tasteten nach seinem Gesicht.
»Es ist alles in Ordnung«, beruhigte ihn Colin.
Eine Weile saßen sie da und sagten nichts.
Dann fragte Danny: »Kann ich trotzdem wie Robin Hood sein?«
»Du bist wie Robin Hood. Das vorhin war nur eine Niederlage.« Dann erzählte er ihm von einem Abenteuer, in dem Robin in Gefangenschaft geriet. »Mama ist so was wie Guy von Gisbourne, weißt du.«
Danny verstand das sehr gut. »Wenn ich groß bin«, sagte er, »dann will ich nicht zu den Bösen gehören.«
»Das wirst du nicht«, sagte Colin nur, »das wirst du nicht.«
Und dann, ja, dann war alles gut gewesen.
Erst mal.
Er betrachtete seinen Bruder.
Der Kleine war jetzt groß, fast sogar noch größer als er selbst. Und er gehörte noch immer nicht zu den Bösen, und das war verdammt gut so. Sie gehörten beide nicht zu den Bösen, Colin auch nicht, was immer auch der Constable behaupten mochte.
Süße Erinnerungen.
Die kamen und gingen.
Wie in dem Lied.
Yesterday once more.
Von den Carpenters, die Mutter im Krankenhaus die Wehen erträglicher gemacht hatten.
»Nun gut«, begann Colin schließlich mit seiner Erzählung, und das Feuer knisterte zu seinen Worten.
Dann erzählten Livia und er Danny ihre Geschichte. Sie erzählten von Black Head, dem London-Leben, Arthurs Tod, von Constable Plummer und Inspektor McGuffin und den Dingen, die in der Welt passierten und zueinanderpassen mussten, wenn man nicht daran glaubte, dass es Zufälle gab. Aber das, was sie erzählten, endete in der Kate und mit zwei Menschen, die sich gefunden hatten, nachdem inan sie getrennt hatte.
Danny lächelte kurz und traurig. »Meine Geschichte endet nicht so schön«, antwortete er, nachdem die beiden fertig waren. »Es ist eine lange Geschichte, wollt ihr sie wirklich hören?«
»Ja.«
»Fang schon an!«
»Also gut.« Danny legte ein wenig Holz nach, bevor er loslegte.
»Du hast sicher von der Band gehört. Dylan's Dogs, es gibt sie jetzt schon seit fast sechs Jahren.« Er erzählte, wie er die Band mit einigen Kumpels gegründet hatte. »Die allerersten Jahre waren schwierig, wir spielten in kleinen Clubs und schäbigen Spelunken. Doch dann wurde es besser.« Er schlürfte den heißen Kaffee. »Ich lernte Soozie Sutcliffe kennen, die mit ihrer Geige zu uns kam, und wir verliebten uns, das ging ganz schnell, und wir heirateten danach noch viel, viel schneller. Ich liebe sie, Colin, was immer auch Miss Robinson behauptet haben mag. Soozie ist eine wunderbare Frau. Sie ist mein Leben, sie und der Kleine, der bald schon zu uns stoßen wird.« Ein Schatten überzog das bärtige Gesicht. »Ja, sie ist schwanger. Im achten Monat.
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