Fächertraum
ich recht?«
»Und diesen Ruf möchten Sie jetzt ruinieren?«
»So, wie Sie damals mein Ansehen beschädigt haben?«
Sie schaute ihm geradewegs in die Augen. Ein klares Kräftemessen, wer zuckt zuerst? Lindt kniff die Augen zusammen. Verloren!
Dicke Schweißperlen drangen aus seiner Kopfhaut. Er stand auf, öffnete das Fenster und trocknete sich dabei so unauffällig wie möglich mit dem Taschentuch die Stirn.
Warum sagte denn keiner etwas? Der Kurze – sein Staatsanwalt, Paul – sein Weggefährte, Jan – sein Zögling? Alle waren verstummt. Die Angelegenheit betraf nur ihn und diese miese kleine dicke Journalistin. Innerlich tobte er: Das können sie, diese Tintenkleckser, einen in den Dreck ziehen, mit Schlamm bewerfen, auf einem herumtrampeln, einen in der Öffentlichkeit unmöglich machen, einen ins Rampenlicht zerren, um hämisch grinsend mit anzusehen, wie man bespuckt wird.
Doch was Lindt dann hörte, erstaunte ihn. Es klang ganz anders: »Nein, ich halte nichts von ›Auge um Auge‹.«
Er drehte sich um: »Also keine Rache? Was dann?«
Die kompakte Reporterin begann wieder zu grinsen, nein diesmal wurde es ein Lächeln. »Faire Zusammenarbeit, nichts weiter.«
»Sie machen mir ein Friedensangebot?«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Zwei Begriffe: ›fair‹ und ›Zusammenarbeit‹!«
Lindt fand erst keine Worte, doch Conradi erlöste ihn: »Besprechen Sie das am besten unter vier Augen. Ich denke, es gibt einiges zu klären.«
Der Kommissar wies auf die Tür zu seinem Büro. »Da drin.«
»Gerne«, lächelte das weißblonde Kraftpaket. »Wenn ich vorher noch mal rasch für kleine dicke Mädchen …«
Paul Wellmann zeigte die Richtung: »Dritte links.«
Auch der Staatsanwalt verließ mit hochgezogenen Augenbrauen den Raum: »Machen Sie das Beste daraus. Ich erwarte Ihren Bericht.«
Betretene Stille lag im Raum. Lindt schwieg, seine beiden Kollegen starrten Löcher in die Luft.
Wellmann versuchte, die Kommunikation wieder in Gang zu bringen. Er nahm die Visitenkarte vom Tisch: »›Inka Valentin, freie Journalistin.‹ Silberne Schrift auf blauem Grund. Darunter ein silberner Füllfederhalter.«
Jan Sternberg hielt die Karte ins Licht der Tischlampe: »Sieht eher aus wie ein Dolch, scharf geschliffen, so wie diese Feder blitzt.«
»Ich erzähl es euch ein anderes Mal«, seufzte Oskar Lindt und ging mit hängenden Schultern in sein Zimmer. »Schickt sie dann rein.«
Eine knappe Stunde später öffnete sich die Tür des Kriminalhauptkommissars wieder. Zuerst trat ein hellblonder rundlicher Igel aus dem Nebel des Rauchs, dahinter ein breiter Kommissar, dem die Zeitungsschreiberin nur bis zum Kinn reichte.
Strahlend drückte die Journalistin Jan und Paul die Hand: »Ich bin Inka, wir werden uns noch öfter sehen.« Dann schnappte sie sich ihre Kamera und verschwand.
Verwundert sahen Lindts Kollegen erst der breitschultrigen Lederjacke hinterdrein und dann ihren Chef an. Dessen Blick aber war weit weniger freundlich. Er zögerte kurz, dann machte er kehrt und ging ohne ein Wort zurück in seine verräucherte Höhle.
»Wolltest du uns nicht …?«
Der Kommissar schüttelte den Kopf: »Später, Paul«. Damit zog er die Tür hinter sich zu.
Erschöpft fiel er in seinen Bürosessel, stemmte sich aber gleich wieder hoch, um das Fenster zu öffnen. Einen Augenblick steckte er den Kopf hinaus, dann ging er wieder zum Schreibtisch, leerte den Aschenbecher in einen dicken braunen Briefumschlag, klebte ihn zu und trug ihn in den großen Abfalleimer auf dem Flur. Er hasste den Gestank von Zigaretten und ganz besonders den von ausgedrückten filterlosen kalten Stummeln.
Fünf Pfeifen lagen auf seinem Schreibtisch, da hatte er Inka das Rauchen nur schlecht verbieten können. Also war es zu einem gegenseitigen Einnebeln gekommen. Scharfer Zigarettenrauch gegen milden Pfeifendampf. Schlecht zu sagen, wer dabei gewonnen hatte. Lindt öffnete auch noch das zweite Fenster. Leichter Durchzug vertrieb zögernd den restlichen Nebel.
Nach ein paar Minuten wurde ihm kalt. Er schloss beide Fenster und ging zum Telefon. Eine warme Stimme meldete sich: »Tut mir leid, Herr Lindt, Ihre Frau ist gerade in der Mittagspause. Ich schreibe ihr aber gerne eine Notiz, dass Sie angerufen haben.«
Er bedankte sich und legte auf. Bock, Laurenz Bock – wieso wusste er, wer Carla war? Bestimmt hatte die Kanzlei, in der sie arbeitete, schon mit ihm zu tun gehabt. Oder woher sollte dieser Kerl sie sonst
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