Fächertraum
wird auch schiefgehen!‹ Ich sage dir, es kam schlimmer!«
Paul startete den Motor. »Waldstadt?«
Sein Kollege nickte. »Fahr mich heim, mir reichts. Und morgen hab ich Migräne.«
8
Es war nicht nötig, Kopfschmerzen zu erfinden. Das rechte Augenlid pochte ganz anständig. Es wurde dick und dicker, rot, blau, dann grün und gelb. Die Schwellung drückte schmerzhaft auf den Augapfel und ging erst am Wochenende zurück. Lindt legte Kühlkompressen auf, verbrachte die Zeit meistens auf dem Sofa oder im Bett und fühlte sich schlecht. Nicht einmal zum Rauchen hatte er Lust. Am besten konnte er es aushalten, wenn beide Augen geschlossen waren. Sein Handy hatte er ausgeschaltet, und das Klingeln des Festnetztelefons ignorierte er. Manchmal hörte er Radio, aber meistens döste er vor sich hin und war ungenießbar.
Carlas Bemerkung über ›eine so kleine Eichel, die einen so großen Mann zur Strecke bringt‹, ärgerte ihn zusätzlich.
Nur die Zeitungsartikel, die seine Frau für ihn gesammelt hatte, stimmten ihn einigermaßen versöhnlich. Erstaunlich, dass selbst die sonst so reißerisch daherkommende Boulevardpresse dieses Mal recht positiv über die Polizeiarbeit berichtete.
›Grausamer Mord unter Zigarettenschmugglern‹, titelte das Blatt mit den vier großen Buchstaben. ›Verdächtiger leistete heftigen Widerstand und wurde bei der Festnahme leicht verletzt.‹ Inka hatte tatsächlich Wort gehalten.
Der Anwalt des Lastwagenfahrers würde sicherlich toben, wenn er das las. Ob der Verhaftete wirklich als Täter in Betracht kam? Egal, das herauszufinden, war im Moment die Arbeit von Paul und Jan. Er selbst war krank und beleidigt und bockig und überhaupt … so geht niemand mit einem Oskar Lindt um!
Am Montagabend kam Paul zu Besuch. Carla war schon von der Arbeit zurück und ließ ihn herein. Lindt selbst hatte die ganze Zeit auch der Hausglocke keinerlei Beachtung geschenkt.
Wellmann betrachtete das lädierte Auge intensiv. »Wo war es noch mal, links oder rechts?«, feixte er.
Oskar Lindt schoss in die Höhe und zum Spiegel im Flur. »Das siehst du doch ganz genau. Hier!« Er klappte den rechten Augendeckel herunter und zeigte mit dem Finger auf das Lid.
»Ah, ja«, antwortete Paul gedehnt. »Tatsächlich, rechts.«
»Bist du gekommen, um mich zu verarschen, oder was?«
»Versteht er keinen Spaß mehr?«, wandte sich Wellmann an Carla, die in der Wohnzimmertür stand.
»Hat ihn schon sehr mitgenommen, diese Attacke im Wald«, verzog sie das Gesicht. »Wahrscheinlich braucht er noch eine Reha.«
Lindt überhörte die Spitze. »Sollst du mir die Genesungswünsche des Präsidiums überbringen, oder was führt dich her?«
»Gute Besserung von allen, Oskar. Die Präsidentin selbst hat sich sogar nach dir erkundigt. Sie empfiehlt dir eine Praxis in der Karlstraße. Karin heißt die Ärztin. Kennt sie wohl persönlich.«
Lindts Gesicht wurde in Sekundenschnelle dunkelrot. »Das ist keine Augenärztin, sondern diese Psychotante!«, grollte er. »Läuft mit dem Ludwig Marathon. Hat er doch am Tatort gesagt, als du dabei warst.«
Der Kommissar holte Luft, dann polterte er weiter: »Ihr steckt doch alle unter einer Decke. Wollt ihr mich jetzt vollends fertigmachen? Und du«, fauchte er Carla an, »woher kennst du eigentlich diesen Bock, diesen miesen Rechtsverdreher?«
Carla drehte sich wortlos um und schlug die Tür hinter sich zu. Paul Wellmann hob die Hände: »Bitte, Oskar, versteh das nicht falsch, aber wir glauben, es wäre besser, wenn du schnellstens wieder zurückkämst.«
»Hat die Eiserne Lea auch schon gefragt?«
»Jeden Tag, wenn du es genau wissen willst. Und von Mal zu Mal war sie giftiger am Telefon.«
»Sie hat mir ein Ultimatum gestellt, stimmts?«
Paul nahm sich einen Stuhl und setzte sich dicht neben Lindt. »›Wellmann, fahren Sie hin‹, hat sie mich vorhin angebellt. ›Heute ist der dritte Tag. Bis jetzt hat er noch keine ärztliche Krankmeldung geschickt. So schlimm kanns also nicht mehr sein. Schauen Sie ihn sich an. Wenn er bis morgen nicht zurückkommt, ist der Fall weg. Dann hole ich einen vom LKA , der die Ermittlungen leitet, und der Lindt kann krankmachen, solange er will.‹«
»Auf so eine Gelegenheit hat sie bloß gewartet, diese Gewitterziege.« Lindt knallte mit der flachen Hand auf den Tisch. »Aber der werde ich es zeigen. Dass ich auf meine alten Tage so was noch mitmachen muss. Soll sich mal überlegen, auf welcher Seite sie eigentlich steht. Also, bis
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