Fächertraum
Bild: »Gibt es denn die typische ›Verbrechervisage‹?«
Nachdenklich antwortete Lindt: »Bei manchen schweren Jungs sticht es einem förmlich ins Auge. Aber das sind mehr die fürs Grobe. Dann gibt es wieder welche, denen man ihre Tat niemals zutrauen würde, so harmlos schauen die drein.«
Es klopfte, und ein Schutzpolizist öffnete die Tür: »Eine Zeugenaussage im Bettfedern-Fall. Bitte.« Er bedeutete einem älteren Herrn in Baseballmütze und Outdoorjacke, einzutreten.
Lindt sprang spontan auf und reichte ihm die Hand: »Hoppla, Herr Nachbar. Heute ohne Hund? Nehmen Sie doch Platz.« Er zog einen Besucherstuhl heran.
»Ihr kennt euch?« fragte Wellmann.
Der Kommissar nickte. »Herr Ficht wohnt auch in der Waldstadt, zwei Häuser weiter. Unsere Garagen liegen sogar direkt nebeneinander.«
Der Besucher wies mit dem Kopf auf das Zeitungsbild, über das sich die Kommissare eben noch unterhalten hatten. »Mittlerweile bin ich mir wirklich sicher, dass ich diesen Herrn öfter im Hardtwald gesehen hab.« Er begann zu berichten: »Seit ich im Ruhestand bin, gehe ich mindestens zweimal am Tag mit meiner Jessy.«
»Ein Bild von einer Beaglehündin und richtig gut erzogen«, ergänzte Lindt.
»Echt hübsch, mein Hundle, gell?« Ficht strahlte vor Besitzerstolz. »Ich kenn ja mittlerweile alle Wege zwischen der Waldstadt und Neureut, auch den kleinsten Pfad. Und dieser Mann da, der ist mir in den letzten Monaten ein paarmal aufgefallen. Mitten im Wald und immer mit seinem dicken Rucksack auf dem Buckel.«
»Was hat er denn gemacht? Nur quer durchs Gelände gestolpert? Oder hat er was gesucht?«
»Es sind ja wirklich viele Leut’ unterwegs, auch abseits vom Weg. Aber der da, der war irgendwie anders. Meistens hat er nach unten geguckt, und mit einem Körbchen hätt man ihn glatt für einen Pilzsammler halten können. Aber mit Rucksack …?«
»Woran denken Sie dann?«
Er nickte erneut Richtung Zeitungsartikel: »Da stehts doch: Zigarettenschmuggel. Vielleicht hat der dort immer ein paar Stangen versteckt.«
»Erdbunker«, platzte Jan Sternberg heraus. »Paul, du hast doch auf den Internetseiten vom Zoll recherchiert. Die haben so was gezeigt.«
Wellmann runzelte die Stirn: »Könnt sein, wasserdichte Behälter, eingegraben im Boden.«
»Ob wir mal um Amtshilfe bitten?«, überlegte Lindt.
»Tabakspürhund?«
»Ich kenne da aus meiner Konstanzer Zeit einen Kollegen vom Zoll.« Der Kommissar wandte sich wieder an Ficht: »Würden Sie uns zeigen, wo Sie den Mann gesehen haben?«
Knapp zwei Stunden später bog eine kleine Fahrzeugkolonne vom Adenauerring in die Friedrichstaler Allee ein. Vorneweg Lindt und Ficht im weinroten Citroën, dann folgten zwei Wagen des Zolls und zum Schluss Wellmann und Sternberg im blauen Volvo aus dem Kripofuhrpark. Ein gutes Stück nördlich der Rintheimer Querallee hielt Lindt an.
»Hier?«
»Könnte passen«, antwortete Ficht und stieg aus. Suchend sah er sich um: »Im Hardtwald gibt es viele Stellen, die ähnlich aussehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Mann dort irgendwo aus dem Wald kam.« Mit einer ausladenden Handbewegung wies er auf eine Gruppe von alten knorrigen Hainbuchen am Rand der Allee.
»Absitzen, los gehts«, wandte sich Lindt an Zollamtsrat Friedbert Schwarz und schaute auf die Uhr. »Kaum zwei Stunden her, dass wir miteinander telefoniert haben. Rekordzeit für Amtshilfe.«
»Oskar, das wird sich noch rausstellen, wer hier wem hilft«, antwortete der zivil gekleidete Zollfahnder. »Zigarettenschmuggel ist ja unsere Baustelle, und die Ermittlungsakten über euren ›Bettfedern-Fall‹ haben mir deine Mitarbeiter ja schon letzte Woche zukommen lassen.«
»Machen wirs halt wieder wie früher und arbeiten Hand in Hand«, meinte Lindt. »Zwei Karlsruher in Konstanz, die konnten doch gar nicht anders, die mussten ja zusammen schaffen.«
»Wilde Jahre, Oskar«, schwelgte Schwarz in Erinnerungen. »Wenn ich mich da noch an …«
»Ja, ja«, fiel ihm Lindt ins Wort. »Die Erinnerungen können wir nachher auffrischen und uns noch irgendwo gemütlich zusammensetzen. Jetzt zeig erst mal, was euer Suchhund so alles kann.«
»Falls du den mannscharfen Schäferhund mit Maulkorb erwartet hast, muss ich dich leider enttäuschen.« Schwarz öffnete die Heckklappe des Zoll-Transporters und präsentierte eine leere Hundebox.
»Linda mag nicht hinter Gitter, sie bringt lieber ein paar Spitzbuben dort hin«, tönte es von der seitlichen Schiebetür des
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