Fächertraum
Sternberg machte eine Bewegung, als ob er den weißen Turnschuh wegkicken wollte. »Halt«, rief der Hundeführer, und Jan blieb wie erstarrt stehen.
Kaum eine halbe Stunde später wimmelte der Hardtwald zwischen Grabener und Friedrichstaler Allee nur so von Polizisten. Mehrere Streifenwagenbesatzungen sperrten auf Lindts Anweisung großräumig ab.
»Bis zu den Alleen. Hier hat jetzt kein Spaziergänger was verloren. Vergesst die Fußpfade nicht.«
Ludwig Willms und seine Technikertruppe trafen ein und stiegen in ihre weiße Schutzkleidung. Ein weiterer Streifenwagen brachte die diensthabende Gerichtsmedizinerin. Drei Diensthundeführer der Karlsruher Polizei legten ihren belgischen Schäferhunden Brustgeschirre an und skizzierten auf einem Notizblock, wie sie die Flächensuche organisieren wollten. In spätestens zwei Stunden sollte eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei eintreffen.
»Jetzt darf ich aber«, wandte sich Oskar Lindt an seinen Kollegen vom Zoll und holte die Tabakdose wieder aus der Jackentasche.
»Deine Baustelle, Oskar, wir ziehen ab«, antwortete Friedbert Schwarz. »Nach Erdverstecken für die Schmuggelzigaretten können wir auch später noch suchen. Linda ist auf Tabak trainiert, nicht auf Leichen.«
Der Kommissar drückte ihm die Hand: »Vielen Dank erst mal, und den gemütlichen Hock, den holen wir demnächst nach.«
Lindt gesellte sich zu Paul Wellmann und Jan Sternberg, die in respektvollem Abstand beobachteten, wie die Kriminaltechniker mit einer Kehrschaufel den Laubhaufen in blaue Müllsäcke füllten.
»Im Labor nehmen wir die Blätter noch genauer unter die Lupe«, kommentierte Ludwig Willms die Arbeit seiner Mannschaft.
Nach und nach kamen Beine, Rumpf, Arme und Kopf zum Vorschein. Ein Mann in Bauchlage, Turnschuhe, Jeans, grauer Kapuzenpullover, dunkle Haare. Mehr war im Moment noch nicht zu erkennen.
Die Leiche lag in einer Erdkuhle hinter einem ausgehebelten Wurzelstock. »Wann hat der Sturm diesen Baum wohl umgeworfen?«, rätselte Jan Sternberg.
»Wir könnten mal beim Forst nachfragen«, überlegte Paul Wellmann. »Vielleicht wissen die noch, wann sie den Stamm weggeholt haben.«
»Schau doch mal da, wo gesägt wurde.« Jan Sternberg tastete über die Stirnfläche des Stubbens, als ob er die Jahresringe zählen wollte. »Fast kein Moos drauf, also kann es noch nicht allzu lange her sein.«
»Ist für uns aber nicht von Bedeutung«, tauchte Ludwig Willms hinter der emporstehenden Wurzel auf.
»Hat der Wind das Laub hergeweht?«
»Nein, Oskar, eindeutig nicht. Hinter so einem Wurzelstock fangen sich die Blätter zwar schon, aber nicht in dieser Menge. Der Haufen wurde aufgeschichtet.«
»Wie lange braucht man dafür?«
Willms machte eine ausholende Geste: »Ringsum liegt fast kein Laub mehr auf dem Boden. Das wurde zusammengescharrt und über der Leiche aufgehäuft. Wir haben jetzt drei große Säcke gefüllt. Mit den bloßen Händen benötigt man für so ’ne Menge vielleicht eine halbe Stunde.«
Zwischenzeitlich hatte sich die Gerichtsmedizinerin an dem Mann zu schaffen gemacht. »Von hinten nichts Besonderes. Bitte mal umdrehen.« Zwei Techniker packten an.
»Ooh«, entfuhr es der Ärztin und den Kripobeamten. Ein kleines kreisrundes Loch, umkränzt von den schwarzen Resten einer Blutkruste, zierte die Stirn oberhalb des rechten Auges.
»Schuss?«, wollte Lindt wissen.
»Ist anzunehmen.«
»Kein Ausschuss?«
Die Ärztin tastete den Kopf vorsichtig ringsum ab. »Nein, die Kugel muss noch irgendwo drinstecken.«
Lindt wandte sich an Ludwig Willms: »Ihr macht die Analyse?«
»Sowie uns Frau Doktor das Geschoss rausgepult hat.«
»Wir werden sehen«, verabschiedete sich die Medizinerin. »Ich rufe Sie an.« Sie streckte Lindt die Hand hin, doch der wich zurück. »Vielleicht erst die Handschuhe aus …?«
»Chef, wir haben da noch was«, meldete sich einer der Kriminaltechniker und inspizierte den Boden. Mit dem Handfeger entfernte er das restliche Laub neben der Erdkuhle und legte eine längliche Vertiefung frei. »Sieht aus wie eine kleine Rinne. Vielleicht eine Schleifspur, die wieder zugedeckt wurde.«
Jan Sternbergs Vorschlag kam prompt: »Ein Blasgerät, vom Gartenbauamt, damit pusten wir die Blätter weg.«
»Nicht nötig, Jan«, meldete sich Paul Wellmann. »Hier hinten ist die Spur nicht mehr zugedeckt. Man kann sie ganz deutlich sehen.« Mit gesenktem Kopf, die Augen fest auf den Boden geheftet, ging er zielstrebig weiter, fast
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