Fächertraum
Arbeit schreibt.«
»Leichte Verletzung statt blutiges Nasenbein, war das nicht nett von mir?«
Der Kommissar schenkte auch Inkas Glas voll. »Vino rosso, blutrot. Danke, dein Artikel hat uns gutgetan. Jetzt haben wir nur noch diese aggressive Staatsanwältin zu fürchten.«
»Ach, die Lea?«
»Kennst du sie etwa?«
Die kräftige Journalistin lächelte versonnen. »Ich wohne ja erst seit Kurzem in Karlsruhe, aber anscheinend gibt es hier genügend alte Bekannte.«
»Nicht nur unseren Chef?«, wollte Jan wissen.
»Nach meinem Jurastudium hatte ich ein paar Monate mit ihr das Vergnügen, im Referendariat bei der Staatsanwaltschaft Rottweil.«
»War sie früher auch schon so furchtbar? Bei uns heißt sie nur die ›Eiserne Lea‹.«
»Viel Feind, viel Ehr. Damals sprach sie gerne von ihren ›Kollegenfeinden‹. Wie sie in Strafprozessen mit den Angeklagten und deren Verteidigern umsprang, hatte einen echt hohen Unterhaltungswert. Da kommt keine heutige Gerichtsshow im Fernsehen mit.«
»Sie schlägt eine scharfe Klinge, leider auch gegen uns«, sagte Oskar Lindt.
»Mich hat sie eigentlich nicht schlecht behandelt. Nein, falsch, das trifft es nicht. Ignoriert passt eher, einfach nicht beachtet. Aber die anderen Staatsanwälte, die haben sie richtiggehend gehasst. Männer waren schon vor 20 Jahren ihre Lieblingsfeinde. Deswegen hat sie auch keinen abbekommen.«
»Ein Dummer ist ihr wohl doch über den Weg gelaufen. Sie war immerhin 16 Jahre verheiratet.«
»Oje, der Arme. Kann mir direkt vorstellen, was er alles erleiden musste.«
Lindt schnitt nachdenklich an seiner Pizza herum. »Machst du nicht auch Gerichtsreportagen?«
»Muss erst mal sondieren, welche Kollegen hier in Karlsruhe tätig sind.«
»Jede Menge, bei diesen vielen Gerichten. Aber die meisten schreiben über das, was am BGH und am Verfassungsgericht abgeht. Alles wissenschaftlich hochgestochen und farblos.«
»Ach so, darauf willst du hinaus.«
»Gleich kapiert?«
Inka lächelte, und die weiß geblondeten Stacheln ihrer Frisur schienen sich kampflustig zu erheben: »Ich denk mal drüber nach. Könnte interessant werden.«
Sternberg und Wellmann schauten sich an. »Was …?«
»Kommt ihr nicht drauf?«
Kopfschütteln.
»Am Landgericht gibt es doch jede Menge interessanter Verhandlungen.«
»Über den Mord an einem Bettenverkäufer? Nur fehlt uns noch der Angeklagte.«
»Vielleicht fehlen uns ja nur Energie und gute Ideen.«
»Wenn die ganze Kraft für den Kampf mit der ›Eisernen‹ draufgeht.«
»Exakt, Paul, und deswegen …«
»Ach, du meinst …«
»Morgen um zehn hat sie zum Beispiel einen Prozess wegen Betrugs und Konkursverschleppung. Ein Malermeister, etwas zu gutgläubig, falsche Geschäftspartner, hat sich eben übernommen. 20 Mann stehen auf der Straße. Fünf Millionen sind futsch.«
»Oberstaatsanwältin Frey vertritt die Anklage? Na, dann möchte ich nicht in der Haut dieses Handwerkers stecken.«
»Genau, den wird sie gnadenlos fressen, scharf gewürzt, mit Haut und Haaren, samt seinem Anwalt.«
»Oskar, was ist los?« Carla sah ihn an. »Du stinkst, aber woher kommt deine gute Laune?«
Lindt drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn. »Hab eine alte Bekannte getroffen.«
Carlas Augen verengten sich: »Eine was …?«
»Reg dich ab, war lange vor deiner Zeit.«
»Bitte? Wie sprichst du denn mit mir? Hast du getrunken?«
»Kaum, nur ein Fläschchen Roten beim Italiener.«
Carla wurde lauter: »Du warst essen? Mit einer Frau?«
»Auch …«
Flammen schossen aus ihrem Blick: »Was heißt ›auch‹?«
»Mit Paul, Jan und Inka.«
»Inka also. Eine neue Kollegin?«
»Keine Kollegin und nicht neu, sondern alt. Nein, alt ist sie nicht, eher jünger.«
»Jünger! Dann brauchst du mich wohl nicht mehr!« Wütend knallte sie die Wohnzimmertür hinter sich zu.
Lindt zog die Cordjacke aus, hängte sie sauber über einen Bügel und bückte sich, um die Schuhe aufzubinden, da flog die Tür wieder auf. Carla stob aus dem Wohnzimmer, schubste ihn grob zur Seite, fuhr in ihre Schuhe und riss den Mantel vom Haken.
»Die Kinder aus dem Haus, und er sucht sich eine Jüngere. Schämst du dich nicht?«, fauchte sie ihn an. »Vielleicht finde ich auch einen. Jünger und schlanker!« Krachend fiel die Wohnungstür ins Schloss.
Lindt schlief fest und traumlos. Gegen fünf schreckte er hoch. Tastete nach dem Kopfkissen neben sich. Leer! Er fuhr in die Höhe, machte Licht. Carlas Bettseite war unberührt.
Au!
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