Fächertraum
Mundstück seiner Pfeife, das er nun zwischen die Zähne klemmte und aus dem er im Weitergehen ein paar duftende Wolken sog.
Zurück ins Präsidium? Eine gute Viertelstunde zu Fuß. Er entschied sich anders: ›Wandertag heute‹, und in der Erwartung, dass ihm das pulsierende Leben der Stadt weitere Einfälle bescheren würde, nahm er Kurs auf die Oststadt.
Ein Radfahrer bremste hinter ihm. »Oskar, bist dus?« Überrascht drehte Lindt sich um.
»Tatsächlich, und immer noch den gleichen Tabak in der Pfeif’.«
Der Kommissar drückte sichtlich gerührt dem weißhaarigen Alten die Hand: »Mensch, Alwin, gibts dich auch noch?«
»Jeden Tag lieber, auch wenn bei mir nimmer so viele Tag’ kommen wie bei dir, Oskar.«
»Ach, sag das nicht. Du wirst bestimmt 100, so wie du aussiehst.«
»82 hab ich schon g’schafft.«
»Und immer noch mit dem Fahrrad unterwegs. Das hält dich fit.«
»’S Rad und mein Garten, den hab ich nämlich auch noch.«
Bewundernd musterte Lindt den schlanken Achtziger von oben bis unten. »Immer noch kein Fleisch?«
»Nix, nix. Ich weiß gar net mehr, wie eine Metzgerei von innen aussieht. Und ich bin sicher, das hat mir ’s Leben gerettet, auch wenn du es mir nie hast glauben wollen.«
»Lass mich mal nachdenken. Wie lang ist das denn her? Unsere Kinder waren damals noch ziemlich klein.«
»Über 20 Jahr’! Viermal haben die an meinem Darm rumg’schnitten. Ein paar Monate wollten sie mir noch geben.«
»Und seither?«
»Mein Seitenausgang ist natürlich geblieben, den konnten sie nicht mehr zurückverlegen, aber sonst – alles prima. Der Doktor staunt jedes Mal. Ich ess Eier, Käs’, Milch, auch Fisch, aber hauptsächlich das Gemüse und Obst aus meinem Schrebergarten.«
Nachdenklich nickte Lindt. »Du warst kaum im Ruhestand.«
»Ein halbes Jahr.«
»Das Leben komplett umgestellt.«
»Am ersten Juni wars, da kam ich aus dem Klinikum heim.«
»Das Auto gegen den Garten getauscht.«
»Ich habs net vermisst. Mit dem Rad komm ich in der Stadt grad so schnell vorwärts, und 20 Kilo hab ich auch verloren.«
Der Kommissar blickte an sich hinunter: »Tät mir auch gut.«
»Die Wurstbude hinter der Hauptpost hat dich damals stark angezogen.«
»Lass uns lieber von was anderem reden.«
»Vielleicht über die alten Zeiten mit dem Kopp und seiner Küche«, lachte Alwin Stadler. »Die fehlen mir net. Auch da hab ich mich umg’stellt. Deswegen besuch ich euch auch nie im Präsidium.«
»So wie der Kopp, der jeden zweiten Tag gekommen ist.«
»Der konnts halt net lassen. Schwarzes Loch, Absprung verpasst.«
»Der Paul und ich, wir sind auch schon im Endspurt. Ich hoff, wir schaffen die paar Jahre noch ohne Schaden.«
»Darfst net alles so an dich ranlassen. Es gibt auch ein Leben jenseits von Mord und Totschlag.«
»Sie wollen mich zu einer Psychologin schicken.«
»Ist heut doch normal. Früher hätt man halt g’sagt: ›Stell dich net so an.‹«
»Nachts krieg ich manchmal Besuch.«
»Ungelöste Fäll’?«
»Auch die anderen. Seit einiger Zeit schreib ichs auf.« Er zog das schmale Heft aus seiner Hosentasche. »Ich glaub, es hilft. Zumindest ein bisschen.«
»In der Zeitung hab ich von eurem aktuellen Fall gelesen. Kommt ihr vorwärts?«
»Also doch noch. Einmal Bulle, immer Bulle?«
»Keine Sorge, ich hab genug Abstand zu früher, aber es interessiert mich schon, was so geht. Schließlich seid ihr jetzt die Alten.«
»Sei vorsichtig, sonst mach ich dich zum Under-Cover-Ermittler.«
»Willst mich einschleusen ins Zigarettenschmuggler-Milieu? Dafür bin ich echt zu alt, aber besuchen kannst du mich mal. Meistens findst du mich in der Laube, und mein Apfelmost ist nicht zu verachten …«
Lindts Handy klingelte.
»So was hab ich allerdings nicht.« Schwungvoll bestieg Alwin das Fahrrad, natürlich ein Herrenrad. Kopfschüttelnd schaute der Kommissar ihm nach, während er das Mobiltelefon ans Ohr drückte.
»Oskar, Du solltest zu mir ins Labor kommen«, meldete sich Ludwig Willms.
13
»Alles Müll, was die BePo da im Hardtwald aufgesammelt hat.« Willms stand neben einem Stapel blauer Plastiksäcke. »Nur das da …«
»Paketband«, stellte Lindt fest und griff nach dem braunen Fetzen.
»Halt, nicht.« Willms, der Handschuhe trug, wendete das Teil zwischen den Fingern. »Siehst du?«
Der Kommissar kniff die Augen zusammen. »Dreck.«
»Dachten wir zuerst auch, aber es sind Hautpartikel und etwas Blut.«
» DNA gesichert?«
»Das schon, der
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