Fächertraum
leichterer Schlaf. Nicht, dass du heute Nacht auch wieder so rumfuchtelst.«
»Hab ich dich etwa aufgeweckt?«
»Wenn du den Schlag auf meine Schulter meinst, dann schon.«
»Tut mir wirklich leid, aber die Elefanten …« Mehr sagte er nicht. Carlas Blick genügte. Zum Glück wusste sie nicht alles, was er in den letzten Wochen sonst noch geträumt hatte. Er tastete nach dem Heft in seiner Gesäßtasche. Ob er dessen Inhalt einmal vor dieser Psychologin ausbreiten musste? Er erinnerte sich an das, was Ludwig Willms gesagt hatte: ›Es hilft, darüber zu reden. Tu es, Oskar.‹ Unterhielten sich die beiden über ihn, während sie auf den nächsten Marathon trainierten?
15
Ob die Bitterstoffe des Salats wirklich für seine traumlose Nacht verantwortlich waren? Auf jeden Fall fühlte sich Oskar Lindt am nächsten Morgen richtig ausgeruht, erfrischt und fit für den Tag. Als er den bequemen Dienstwagen im Hof des Präsidiums parkte, bemerkte er das schwarze Mountainbike. Sein erster Weg führte ihn daher ins Labor der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle.
»Kommst du jetzt jeden Tag mit dem Rad?«, fragte er seinen Kollegen erstaunt. »Selbst bei diesem Wetter?«
Ludwig Willms hatte gerade frisch geduscht und schlüpfte in seinen blütenweißen Arbeitsmantel: »Oskar, was sind schon 20 Kilometer am Morgen? Grad recht, um wach zu werden, und das bisschen Nieselregen stört nicht im Geringsten.«
»Lauter Gesundheitsfanatiker um mich herum«, stöhnte der Kommissar, verzichtete aber lieber darauf, über bittere Endivien und pensionierte Fleisch verzichtende Kollegen zu reden.
»Bist du gekommen, um mit mir einen Trainingsplan zur Verbesserung deiner körperlichen Fitness zu erarbeiten?«
»Kannst du mir auch Ergebnisse deiner DNA -Analyse anbieten?«
»Sollen im Lauf des Vormittags eintreffen«, antwortete Willms, während er seinen Computer einschaltete. »Aber vielleicht hat die Gerichtsmedizin schon eine Mail geschickt – tatsächlich – Frau Doktor mag es wohl gruselig. Oder würdest du gerne nachts an irgendwelchen Leichen rumschneiden?«
Lindt schüttelte sich. »Wenn sie dazu noch verkohlt sind? Nein, danke. Nicht wirklich.«
Gemeinsam lasen sie den Bericht der Ärztin: »Abquetschung des Rückenmarks durch Bruch des HWK 2.«
»Halswirbelkörper, der zweite von oben«, meinte Willms erklären zu müssen.
»Danke für die Nachhilfe, Ludwig, aber dieses Kürzel kenne ich mittlerweile. Auf Deutsch – Genick gebrochen. Multiple Frakturen der Schädelbasis, der Extremitäten und des Beckens.«
Lindt überlegte. »Klar, an einem solch extrem steilen Hang helfen die Airbags auch nicht mehr. Die Karre muss sich ja mehrfach überschlagen haben.«
»Ohne Gurt wäre er wohl gleich rausgeflogen. Genaue Todesursache nicht mehr feststellbar. Neben den Frakturen und den Verbrennungen können auch abdominelle Verletzungen vorgelegen haben. Typisch bei solch massiver Gewalteinwirkung sind beispielsweise Rupturen von Leber, Milz oder Aorta.«
»Bauchschlagader?«, fragte Lindt.
Willms nickte. »Wenn die abreißt, ist sowieso alles zu spät.«
»Aber was soll denn das hier bedeuten?« Oskar Lindt las vom Monitor ab: »Spuren von Brandbeschleuniger in den Geweberesten.«
»Hab ich auch gefunden. Überall, im ganzen Wrack.«
»Und wie erklärst du dir das?«
»Ganz einfach, Oskar. Irgendwann hats den Tank zerrissen.«
Lindt rieb sich am Ohr: »Und dabei gelangt der Sprit auch in den Innenraum?«
»Da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Was heißt ›ziemlich‹?«
»Du und dein Misstrauen. Denkst du wirklich, jemand hat diesen Jordan mit Benzin übergossen und dann in den Abgrund geschickt?«
»Wäre zumindest nicht das erste Mal, und wenn ich an das Tankstellenvideo von gestern denke …«
Willms schob Lindt sein Telefon hin. »Am besten rufst du gleich bei Porsche an. Bitte einen Cayenne, es darf auch ein gebrauchter sein. Wir sollten den Unfall nachstellen.«
»Genau, wir lassen die Karre dann einfach denselben Hang runter.« Lindt rollte mit den Augen. »Ludwig, Ludwig, solche Ideen hat normalerweise nur unser Jan.« Er wandte sich zum Gehen, blieb in der Tür aber nochmals stehen. »So viele Knochenbrüche, obwohl ihn der Gurt im Sitz gehalten hat? Ich bleibe misstrauisch.«
»Was meint ihr?« Lindt schaute seine beiden Mitarbeiter an, nachdem er sie über den aktuellen Sachstand informiert hatte.
»Theorie eins«, antwortete Paul Wellmann. »Jordan will sich absetzen, rast nervös durch die
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