Fächertraum
fasste er in die voluminösen Taschen seiner schwarzen Cordjacke und fand zwischen Pfeifen und Tabak tatsächlich zwei Paar Einmalhandschuhe. »Nur mal schauen«, lachte der Kommissar und ging voran in den Schuppen.
Sie öffneten das Doppeltor, um noch mehr Licht hineinzulassen, dann klappte Sternberg den Deckel des Motorraumes nach unten. »Kein Kennzeichen«, stellte er fest und wechselte zur Front des Fahrzeugs. »Hier fehlt es auch, abgemeldet. Kein Wunder, dass der nicht in der Liste der Zulassungsstelle aufgetaucht ist.«
»Aber sonst genau derselbe Fahrzeugtyp wie auf dem Tankstellenvideo. Sogar ein langer Kratzer an der Seite.« Lindt tastete über den kaputten Lack und öffnete dann die Fahrertür. »Zwei Sitze, Trennwand und dahinter …«
»Abgeschlossen!«, Sternberg versuchte, die seitliche Schiebetür zum Laderaum zu öffnen. »Steckt vielleicht der Schlüssel im Zündschloss?«
»Fehlanzeige«, kam von Lindt. »Wenn es dumm läuft, hat ihn der Gabriel in der Tasche.«
»Keine Sorge, Chef, die alten Schlösser sind ja nicht so schwierig aufzukriegen.« Noch bevor Lindt das Fahrzeug umrundet hatte, war es Jan gelungen, mit Fingerspitzengefühl und dem Taschenwerkzeug, das er stets bei sich trug, das Schloss zu öffnen. »Lernt man bei Einbruch & Diebstahl. Die Kollegen dort können das alle«, kommentierte er und schob die Tür schwungvoll zurück. »Wenn ich nicht bald auf den Kommissarlehrgang darf, muss ich mir halt als Autoknacker was dazuverdienen.«
»Nicht gerade viel«, stellte Oskar Lindt fest, als Jan mit seiner Maglite den Laderaum ausleuchtete. »Ob da was drunter …« Er bückte sich und griff nach der Ecke einer alten Matratze, um sie hochzuheben.
»Lieber nicht, Chef«, kam von Sternberg. »Das würde uns Ludwig sicher übel nehmen.«
»Stimmt genau«, ertönte dessen wohlbekannte Stimme von hinten. »Finger weg, meine Baustelle!«
»Oh, das ging aber schnell.« Lindt richtete sich auf. »Also los, du weißt ja, wonach wir suchen.«
»Vielleicht danach?« Jan hob zwei längliche Streifen in die Höhe, die er in einem seitlichen Regal entdeckt hatte. »Stadtwerke auf Magnet, genial.« Klack, hafteten die dünnen biegsamen Schilder auf dem Metall der Transporterwand.
»Lass sehen.« Lindt und Willms betrachteten die Teile interessiert. »Fällt erst beim genauen Hinsehen auf. Exakt der richtige Schriftzug. Farbe, Größe, alles stimmt. Bravo, gut gemacht«, applaudierte der Kommissar.
»Mit PC heutzutage kein Problem mehr«, meinte Sternberg. »In zwei Stunden schaff ich das auch.«
»Na dann steht deiner kriminellen Karriere ja nichts mehr im Weg. Schlösser knacken, Schilder fälschen, wie wird das nur weitergehen?«
»So wars auch wieder nicht gemeint, Chef. Aber wenn Sie sich bei Gelegenheit mal mit dem Aufstiegslehrgang für mich befassen könnten …«
»Oskar, merkst du was?«, tönte Ludwig Willms aus dem Inneren des Transporters. »Die Jugend drängt nach. Wie lange hast du noch?«
»Ihr werdet es erwarten können«, knurrte Lindt und kramte nach Pfeife und Tabak. »Such lieber nach ’nem Revolver.22 lfb. Vielleicht hat er den hier im Auto versteckt.«
»Oder eine Schrotflinte. Dann könnten wir endlich den Zusammenhang herstellen«, überlegte Jan Sternberg.
»Das dürfte uns noch etwas Arbeit machen. Bin mal gespannt, wie gesprächig die Herren sind.«
»Vielleicht gibt es auch gar keine Verbindung«, kam vom Eingang des Schuppens.
»Oh, Herr Conradi«, begrüßte der Kommissar den kleinen freundlichen Staatsanwalt. »Nett, dass Sie sich die Zeit nehmen.«
»Gelegentlich muss sich auch der Vertreter der Anklage ein Bild von der Örtlichkeit machen und außerdem …« Er entnahm seiner Aktentasche einen Stapel mit Papieren. »Darauf warten Sie doch bestimmt schon.«
»Ach, die Anordnungen, bitte Jan, kümmerst du dich drum?«
Conradi reichte Sternberg die Formulare. »Halt, das letzte hier nicht.« Er zog einen Bogen wieder zurück und übergab ihn Lindt. »Für Sie, persönlich.«
Der Kommissar warf einen Blick darauf, und seine Augen begannen zu glänzen: »›Eingestellt‹, das wichtigste Wort.«
»Die Staatsanwaltschaft schenkt den Ausführungen des langjährig bewährten Ermittlungsbeamten Erster Kriminalhauptkommissar Oskar Lindt mehr Glauben als der Gegenseite. Eine Verfehlung in der ordnungsgemäßen Dienstausübung oder eine vorsätzliche schwere Körperverletzung kann nicht erkannt werden«, formulierte Conradi und drückte dem Kommissar die Hand.
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