Fächertraum
»Außerdem sind Sie ja noch nie in dieser Richtung aufgefallen.«
Jan Sternberg grinste breit. Neugierig warf er einen Blick auf das Schriftstück: »Kann ich voll bestätigen. Den Einsatz körperlicher Gewalt überlässt der Chef gerne uns jüngeren Kollegen.«
»Marsch jetzt«, scheuchte ihn der Kommissar. »Den Durchsuchungsbefehl zur Ehefrau. Und ihr nehmt euch das ganze Anwesen vor,« wandte er sich an Ludwig Willms. »Von oben bis unten.«
»Hattest du je einen Grund, dich zu beklagen?«, schallte es aus dem Laderaum des Transporters.
»Kaum«, antwortete Lindt knapp und wollte ins Freie, doch der Staatsanwalt hielt ihn am Ärmel fest. »Dort würde ich auch nachschauen.« Er ging in die Hocke und spähte unter den Bus, wo der Betonboden durch eine längliche Reihe kurzer Holzdielen unterbrochen wurde.
Willms hatte mitgehört und lugte auf dem Bauch liegend zur Schiebetür heraus: »Eine Grube zur Fahrzeugwartung. Ölwechsel und so.«
Lindt kniete sich auf den Boden. »Das hinterste Brett bekommen wir vielleicht hoch, ohne den Bus wegzufahren.« Er versuchte, das Holz zu lockern, doch ohne Erfolg.
Staatsanwalt Conradi schaute sich kurz um, dann entdeckte er eine Werkzeugkiste und klappte sie auf. Er nahm einen kräftigen langen Schraubenzieher heraus und hielt ihn dem Kommissar hin. »Versuchen Sies mal damit.«
Lindt drückte die breite Spitze zwischen Holz und Beton, hebelte und rüttelte ein wenig, bis das Brett nachgab. Vorsichtig legte er das ölverschmierte Holz zur Seite und linste in die Öffnung. »Zu dunkel, könnte ich mal …?«
Conradi hatte bereits eine starke Taschenlampe aus dem Koffer der Spurensicherung genommen und reichte sie an.
»Ich glaube«, sagte Oskar Lindt, »der Wagen muss weg.«
Mühsam rappelte er sich empor, ging zur Fahrertür, stieg ein, drückte die Kupplung und zog den Schalthebel auf Leerlauf. Willms und der Staatsanwalt schoben an der Fahrzeugfront und ließen so den orangeroten VW -Bus ins Freie rollen. Lindt nahm den langen Schraubenzieher wieder zur Hand und löste das erste Holz auf der anderen Seite der Grubenabdeckung. Darunter kam eine Eisenleiter zum Vorschein, die senkrecht an die Wand geschraubt war.
»Lass mich mal«, sagte Ludwig Willms, »meinem Overall macht der ganze Öldreck hier nichts aus.« Er nahm ein Brett nach dem anderen hoch, legte schließlich die Montagegrube auf ihrer gesamten Länge frei und kletterte hinein.
In der hinteren Ecke lag, was Oskar Lindt stutzig gemacht hatte. »Lumpen?«, fragte der Staatsanwalt und schaute zusammen mit dem Kommissar interessiert nach unten, wie der KTU -Chef einen Haufen von alten Wolldecken unter die Lupe nahm.
»Sieht aus wie ein Nest«, tönte es aus der Grube. »Ganz unten liegen noch Matratzen.«
»Wie wäre es mit DNA -Material?«
»Meinst du deswegen, Oskar?« Willms hob ein braunes Stückchen Plastikfolie in die Höhe. »Ich fress einen Besen, garantiert dasselbe Klebeband wie im Hardtwald.«
»Jordan?«, fragte Conradi.
»Höchstwahrscheinlich.«, entgegnete Lindt.
»Und wo ist der jetzt?«
»Kommen Sie, ab ins Präsidium. Das werden wir aus den beiden Herren schon rausbringen.«
18
Ganz so schnell kamen die beiden nicht zum Verhör, denn gerade, als Lindt in seinen Wagen steigen wollte, bog ein Motorrad um die Ecke. Der Kommissar erkannte den Sound des Zweizylinder- V -Motors und schloss die Fahrertür wieder.
Inka Valentin hievte ihre Yamaha XV 535 Virago auf den Ständer, nahm den Helm ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, damit die weißblonden Stacheln wieder aufstanden. »Darf ich ein paar Bilder machen?«
»Zuerst stelle ich dich noch unserem Herrn Staatsanwalt vor«, bremste Lindt sie und ging mit ihr zu Conradis Dienstfahrzeug. »Frau Valentin ist sozusagen …«
»Freie Journalistin«, fiel sie ihm ins Wort und streckte dem Kurzen die Hand hin.
»Eine alte … ääh … gute Bekannte«, bemühte sich der Kommissar zu erklären.
»So alt sehen Sie aber noch gar nicht aus«, lächelte der Staatsanwalt und beugte sich galant nach vorne. »Es hat sich schon rumgesprochen, dass Sie einen … na, wie soll ich sagen … sehr effektiven Schreibstil haben.«
»Ach, Sie meinen die Gerichtsreportage?«
»Hat einiges in unserer Behörde durcheinandergerüttelt. Anscheinend haben Sie den richtigen Riecher, oder kommen Sie rein zufällig hier vorbei?«
Glücklicherweise war es inzwischen schon etwas dämmerig geworden, sonst hätte man Lindts leichte Röte im Gesicht noch
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