Faeden des Schicksals
Knurren drang aus seiner Kehle. Obwohl die Schmerzen unerträglich waren, richtete er sich langsam auf.
Verdammte Wunden. Sie würden heilen, aber sie kosteten viel Kraft. Kraft, die er derzeit für anderes hätte gebrauchen können.
„Überanstreng dich nicht“, sagte die Stimme.
„Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten, Nathaniel!“, zischte er seinem Besucher zu.
Nun kam er aus den Schatten. Er nahm den Hut ab und setzte sich an einen Tisch. Die halblangen hellen Haare fingen das Licht auf.
„Cael, ich stehe auf deiner Seite“, sagte er langsam.
„Ich bin allein auf meiner Seite .“ Der Vampir lehnte sich zurück, hielt mit der Hand die Wunde zu. Zumindest die, die sich auf seiner Brust befand.
„Du wirst Caitlyn nur noch mehr abschrecken, wenn du so weitermachst.“
„Das sagst gerade du mir?“ Cael schnaubte. „Dein letztes Treffen mit ihr hast du aus ihren Gedanken gelöscht. Sie weiß nicht einmal mehr, dass sie mit ihrem Vater gesprochen hat. Ist das die Taktik, die ich deiner Meinung nach anwenden soll?“
„Es musste sein .“ Nathaniel schüttelte schwach den Kopf. „Sie ist noch nicht bereit dafür.“
„Sie ist auch nicht bereit , mit anderen Vampiren zusammenzukommen“, fauchte er. „Trotzdem ist sie dort.“
„Und scheint Gefallen an ihm zu finden“, seufzte Nathaniel.
„Niemals!“ Cael fuhr auf und schmetterte die Faust gegen die Wand. Der Schmerz durchfuhr ihn stärker. Er sank zurück aufs Bett. „Sie wird nicht dort bleiben. Nicht eine Nacht!“
„Was hast du vor?“ Sein Besuch zog die Augenbrauen zusammen.
„ Das geht dich nichts an.“ Cael stand auf und begann mit Bandagen und Druckverbänden die Wunden zu verbinden. Es hielt, zumindest fürs Erste. Es würde reichen. Er ging ohne ein weiteres Wort auf die Tür zu.
„Cael!“ Eine Hand packte ihn am Oberarm, wollte ihn festhalten.
Er riss sich los und funkelte Nathaniel an.
„Es reicht!“ Seine Hand schoss vor und krallte sich um den Hals seines Gegenübers. „Du hast dich genug eingemischt. Das hier ist nun meine Sache und ich regle sie so, wie ich es für richtig halte.“
„Du warst derjenige, der mich damals um Hilfe bat.“ Nathaniel keuchte, doch er versuchte nicht die Hand zu lockern, die ihn festhielt.
„Du hattest mir Antworten versprochen“, zischte Cael.
„Hast du sie nicht bekommen?“, erwiderte Nathaniel kühl.
„Die ewige Gier habe ich bekommen .“ Cael stieß ihn angewidert zurück. „Das Verlangen nach etwas, das mir immer verwehrt bleiben würde.“
„Dieses Verlangen hattest du bereits zuvor“, widersprach der andere.
„Es war nie so stark“, begehrte er auf. „Die Verwandlung, die du mir angetan hast, hat alles verschlimmert. Und doch hat sie mir nie geholfen. Immer war es nur ein Schein von dem, was ich wirklich wollte. Endloses Suchen nach einem Gefühl, das nie in mir selbst aufkommen wollte.“
„Und was ist mit ihr?“
Die Worte ließen Cael sich abwenden.
„Sie?“ Der Vampir stieß ein leises Knurren aus. „Sie ist all das, was ich jemals sein wollte.“
Er drehte sich um, griff im Hinausgehen nach seinem Mantel und warf ihn sich über die Schultern.
Es reichte. Es reichte ihm endgültig. Diese Nacht würde nicht ohne eine Entscheidung enden.
***
Das Loft lag vor ihm. Die Vorhänge zugezogen, die Fenster geschlossen. Auf dem Dach sah er Spuren seines Blutes. Er sog die Luft durch die Nase. Nicht nur sein Blut, auch das dieses anderen Mannes, den er verletzt hatte.
Cael schnaubte und ging mit langsamen Schritten auf die Türen zu. Seine Finger glitten über das kalte Glas, schienen Kreise zu malen, Muster, die sich immer mehr ergänzten. Eine Bewegung nach rechts, nach links, ein kleiner Kreis und zurück. Dann hielt seine Hand an. Die Finger stemmten sich gegen das Glas.
Ein Knirschen. Ein Krachen. Die Fensterscheibe zerbarst und die winzigen Stücke flogen in den Raum. Splitter, wohin er auch sah. Sie schienen wie in Zeitlupe niederzuregnen. Er bemerkte, wie sie sein Spiegelbild auffingen. Seine Augen, seinen Mund, seine Ohren … ihren Mund, ihre Nase … ihre Augen, klare, graue Augen.
Die Scherben fielen klirrend zu Boden. Der Zauber verschwand so schnell wie er gekommen war. Ein Knurren stieg in ihm hoch.
Er wollte sie! Er würde sie holen! Jetzt!
Seine Schritte führten ihn über die Splitter, verursachten ein Knirschen. Es hallte verzerrt wider, schien kein Ende zu nehmen. Seine Oberlippe zog sich hoch, entblößte seine
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