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Fähigkeiten unbekannt

Fähigkeiten unbekannt

Titel: Fähigkeiten unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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dran, über das nächs­te Vi­si­phon einen Arzt aus der be­nach­bar­ten Psych­ia­trie zu ru­fen.
    Han­ni­bal be­gann plötz­lich gra­zi­ös zu tän­zeln. Un­end­lich ge­lang­weilt, mit zier­lich ge­spreiz­ten Fin­gern, zog er ei­ne Do­se aus der Ta­sche und ließ den De­ckel auf­sprin­gen. Sie ent­hielt dunkles Pul­ver, das er mit af­fek­tiert wir­ken­den Be­we­gun­gen zur Na­se führ­te.
    Den Clou bil­de­te ein zar­tes Spit­zen­tüch­lein. Die Lip­pen be­tupf­te er mit der wei­bisch wir­ken­den Gra­zie ei­nes Stut­zers. Das nach­fol­gen­de Grin­sen paß­te über­haupt nicht da­zu.
    »Hat man dir bei ei­nem Ex­pe­ri­ment die Gal­len­bla­se ins Groß­ge­hirn ver­pflanzt?« er­kun­dig­te ich mich höf­lich. »Du er­scheinst mir et­was an­ge­grif­fen.«
    »Ei der Daus, was ficht Euch an?«
    Da lang­te es. Ent­we­der war der Zwerg wirk­lich wahn­sin­nig ge­wor­den, oder er hat­te wie­der sei­ne be­rühm­te Zer­mür­bungs­tak­tik ge­wählt. Han­ni­bal hat­te ei­ne skur­ri­le Art an sich, sei­ne ge­plag­ten Mit­menschen mit den Ge­ge­ben­hei­ten des Le­bens ver­traut zu ma­chen.
    Ich war nun ernst­lich wü­tend und ging lang­sam auf ihn zu. Erst, als ich dicht vor ihm stand, ver­än­der­te sich sein Ge­sichts­aus­druck.
    »Ka­pie­ren und ka­pie­ren ist zwei­er­lei«, sag­te er auf­fal­lend lei­se. »Ich wer­de vor Freu­de wei­nen, wenn sie dich eben­falls in den Lehr­gang schi­cken. Mei­ne an­fäng­li­chen Ver­ren­kun­gen sind üb­ri­gens iden­tisch mit der Eh­ren­be­zeu­gung ei­nes preu­ßi­schen Sol­da­ten, und die Ad­li­gen der da­ma­li­gen Epo­che be­tupf­ten sich ge­nau­so ge­ziert die Lip­pen, wie ich es eben vor­ge­führt ha­be. ›Hö­fi­sche Ma­nie­ren‹ sag­te man da­zu. Und der Be­griff ›ei der Daus‹ war zu je­ner Zeit ein noch ge­sell­schafts­fä­hi­ger Kraft­aus­druck, den man in Män­ner­krei­sen oh­ne wei­te­res aus­spre­chen konn­te.«
    Ich dreh­te mich wort­los um und setz­te mich. Han­ni­bals Wor­te hat­ten mich wie­der an das Ge­mäl­de von der Schlacht bei Aus­ter­litz er­in­nert.
    Hat­te Pro­zes­sor Gold­stein tat­säch­lich dis Wahr­heit ge­spro­chen? Al­les deu­te­te dar­auf hin.
    Han­ni­bal mus­ter­te mich iro­nisch.
    »Was geht hier vor?« frag­te ich, als ich sei­nen Blick be­merk­te. »Es wird Zeit, daß man mir ei­ni­ges er­klärt.«
    »Wir ha­ben noch zehn Mi­nu­ten Zeit. Das Ske­lett ist eben erst an­ge­kom­men.«
    »Fängst du schon wie­der an?« In mei­ner Stim­me schwang ein war­nen­der Un­ter­ton mit.
    »Ich wer­de über­haupt nicht mehr auf­hö­ren. Hat dir Gold­stein die Funk­ti­on der Wür­fel­ma­schi­ne er­klärt?«
    »Ich glau­be kein Wort. Ei­ne ab­sur­de Theo­rie. Ich woll­te ihm nur nicht weh tun.«
    »Du hast dir selbst weh­ge­tan. Gold­stein ist ein Ge­nie, laß dir das ge­sagt sein. Wahr­schein­lich der größ­te Ma­the­ma­ti­ker nach Al­bert Ein­stein, viel­leicht so­gar noch be­deu­ten­der. Das Ge­setz über die Ener­gie der Zeit ist in­zwi­schen be­wie­sen. Das ›Ge­dächt­nis‹ hat es in drei­wö­chi­ger Ar­beit durch­ge­rech­net. Als Grund­la­gen dienten Gold­steins Er­geb­nis­se. Die Schlüs­sel­glei­chun­gen hat Scheu­ning auf dem Mond ent­deckt. Sie stam­men aus dem mar­sia­ni­schen Ar­chiv. Die Ma­the­ma­tik des Ro­ten Pla­ne­ten ist kein Ge­heim­nis mehr, we­nigs­tens nicht in die­ser Be­zie­hung. Die Rie­sen­ma­schi­nen über­win­den die Zeit­mau­er mit der glei­chen Prä­zi­si­on, wie du mit ei­nem Raum­jä­ger die Schall­mau­er. Ei­ni­ge Leu­te ha­ben das schon frü­her ge­wußt. Wir sind au­gen­blick­lich da­mit be­schäf­tigt, ein­wand­frei nach­zu­wei­sen, daß die Tech­nik des Jah­res 2005 be­reits zu Be­ginn des 19. Jahr­hun­derts an­ge­wandt wur­de. Was ist dar­aus zu fol­gern?«
    Ich hat­te ihn nur ein­mal so ernst spre­chen hö­ren. Das war auf dem Mond, als man uns als über­fäl­lig ein­ge­stuft hat­te.
    Ich blick­te ihn wort­los an. Der Klei­ne trieb kei­nen sei­ner Scher­ze, das stand fest.
    »Du hüllst dich in Un­glau­ben Okay, mir er­ging es nicht an­ders. Der Al­te zwei­felt noch stär­ker, und doch hat er die gan­ze Welt in Auf­ruhr ver­setzt.

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