Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
Vom Netzwerk:
holen.
    »Hat Joe seine Hausaufgaben fertig?«, will er wissen.
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Er hat gesagt, wir könnten dann Risiko spielen.«
    Ich bleibe im Pulli stecken, weil ein Arm falsch herum hängt, und ringe darum, freizukommen, ohne das dumme Ding noch mal ganz ausziehen zu müssen.
    Ich stecke also halb drinnen und halb draußen, als ich sage: »
Könnte
ist das zentrale Wort, Nick. Er meinte, wir könnten spielen.«
    »Willst du denn nicht spielen?«
    »Werd erwachsen.«
    »Warum willst du nicht spielen?«, fragt mich Nick. »Joe will doch auch.«
    »Du und deine Spiele«, mach ich ihn an. »Herrgott, Nick, ständig musst du andere bashen! Was ist das nur mit dir und deiner Gewinnsucht?«
    »
Du hast doch das letzte Mal beim Scrabble gewonnen!«, verteidigt sich Nick. »Früher hast du immer gerne gespielt. Bevor du ...«
    »Ja, bevor ich wusste, dass ich in einem Jahr vielleicht nicht mehr da bin«, mache ich ihm klar. »Sondern tot. Das ist eine winzig kleine Sache, die deine Perspektive nun mal verändert.«
    Nick wirft seinen Gameboy nach mir. Zum Glück für ihn fang ich ihn auf.
    »Wirf das nicht weg, Kleiner«, ziehe ich ihn auf. »Damit kannst du spielen, wenn sonst keiner Zeit für dich hat. Wenn ich tot und begraben bin.«
    Ich werfe das Ding wieder zurück, aber er ist schon halb aus seiner Koje und geht mit eingezogenem Kopf auf mich los. Alles passiert in Zeitlupe. Um mich herum ist Stille, und dann ist da Nick. Kompakt und muskulös schlingt er sich wie ein Anker um meine Beine, reißt mich herum und bringt mich zu Fall. Mit einem Arm immer nochim Sweatshirt gefangen, bin ich bewegungsunfähig und hilflos. Dann erscheint Joe im Türrahmen. Im Bruchteil einer Sekunde erfasst er die Situation, greift in unser Knäuel und packt Nick um die Taille. Er drückt mir einen Fuß auf die Brust, sodass ich nicht mehr an Nick rankomme.
    »Hast dir ’nen Schwächeren zum Verprügeln gesucht, hm?«, spricht Joe.
    Wen von uns beiden er meint, bleibt unklar. Aber wen interessiert das schon? Wir veranstalten ein typisches Gerangel, so wie früher, bevor Joe aufs College ging. Nick quietscht, ich grunze, Joe zieht. Ich schiebe, Nick kreischt. Das Bett bekommt wahrscheinlich das meiste ab. Und als wir alle erledigt sind, kann keiner aufstehen, weil wir so sehr lachen müssen wie Clown-Schimpansen im Zirkus.
    Obwohl Dad und Mom uns bestimmt aus dem Wohnzimmer hören können, lassen sie uns in Ruhe. Und das ist es, was mich am meisten an früher erinnert. Zur Abwechslung macht sich mal keiner Sorgen um den armen kranken Daniel.
    »Und? Was hat Mack gesagt?«, fragt Joe beim Frühstück, während er Dads berühmtes Veggie-Omelette verschlingt wie ein Flüchtling aus dem Sudan, der seit einem Monat nichts gegessen hat.
    »Saft?«, fragt Mom in die Runde.
    »Ich«, sagen Dad, Joe und Nick gleichzeitig.
    Mom schenkt vier Gläser ein und gibt mir das erste.
    »Ich wollte keinen«, sage ich.
    »Du bist derjenige, der ihn wirklich nötig hat.«
    Joe sieht mich an, als würde er in diesem Moment erst begreifen, womit ich da eigentlich konfrontiert bin. »Mack?«, wiederholt er.
    »Er holt die Zwillinge ab und kommt dann zur öffentlichen Bootsrampe, um mich einzusammeln«, erkläre ich ihm. »Nick kann mich im Motorboot hinfahren.«
    »Vielleicht kann ich das nicht«, sagt Nick.
    »Warum kannst du nicht?« Mom spielt schon wieder Schiedsrichter. So viel zur Normalität des Jungsgerangels.
    »Egal.« Ich werde nicht auf die gönnerhafte Einwilligung eines dreizehnjährigen Wurms warten. »Ich nehm das Ruderboot.«
    »Ich halte das für keine gute ...«, beginnt Mom.
    Dad unterbricht sie. »Wann findet dieses gesellschaftliche Ereignis überhaupt statt?«
    Als Mom sich umdreht, greift Joe mein Glas. Er trinkt mit einem großen Schluck alles aus und grinst. »Samstagabend, Halloween-Party bei den Yowells. Daniel ist mit einem tollen Mädchen verabredet.«
    Dad grinst, als würde er sich wirklich für mich freuen. Ich bin so sehr damit beschäftigt, mich halbwegs normal in dieser Szenerie zu fühlen, dass ich Moms Stirnrunzeln erst bemerke, als sie sich hinsetzt.
    »Werden da nicht auch viele andere Jugendliche sein?«, fragt sie nach.
    »Na, das hoffe ich. Nur mit Leonard, Mack und Meredith würde es keinen großen Spaß machen.«
    »Daniel.« Auch Dad ist jetzt irritiert. Das ganze gute Gefühl ist ruck, zuck verschwunden, und ich befinde mich wieder im Goldfischglasmodus.
    »Ich glaube, ich geh mal ’ne Runde

Weitere Kostenlose Bücher