Fahr zur Hölle
Lovette unter ihre Fittiche. Gab ihm Unterstützung. Führung. Eine Familie. Als er verschwand, gerieten wir gleich als erste ins Fadenkreuz.« Wieder das gestellte Lächeln. »Die Posse hat nichts damit zu tun, was Lovette und seiner Freundin passiert ist.«
»Warum hätte Lovette die Unterstützung der Posse gebraucht?«
»Der Junge war orientierungslos. Kein Highschool-Abschluss. Der Job eine Sackgasse. Von der Familie entfremdeter Vater. Durchgeknallte Mutter.«
Das war das erste, was ich von Lovettes Familienleben hörte.
»Was ihn zu einer leichten Beute für Ihre verschwörerische, antiamerikanische Ideologie machte«, sagte ich.
Danner verschränkte die Arme und spreizte die Füße. Die so klein waren wie der ganze Rest von ihm. Ich musste an Napoleon denken.
»Damals waren wir undiszipliniert, in vieler Hinsicht vielleicht naiv. Aber wir waren alles andere als antiamerikanisch.«
»Waren?«
»Die Patriot Posse löste sich 2002 auf.«
»Was war das Ziel der Gruppe?«
»Die Posse fungierte als unorganisierte Miliz.«
Typischer Fascho-Sprech. In nationalem und bundesstaatlichem Recht bedeutet »unorganisierte Miliz« die nominelle Mannstärke an Kämpfern, die entstand, als die Wehrpflicht vor einem Jahrhundert offiziell abgeschafft wurde.
»Mir sind Army, Navy, Air Force und die Marines lieber.«
»Die Patriot Posse war, wie andere Organisationen ihrer Art, gleichbedeutend mit dem gesetzlichen Militär. Sie war ein legaler, verfassungsgemäßer Arm der Regierung. Aber die Posse wurde nicht von der Regierung kontrolliert.« Ein winziger Finger wackelte in der Luft hin und her. »Das ist der Unterschied. Die Posse existierte als Gegengewicht zur Regierung, sollte die tyrannisch werden.«
»Sie glauben, die Regierung könnte tyrannisch werden?«
»Dr. Brennan, ich bitte Sie. Sie sind eine intelligente Frau.«
»Ja, das bin ich.«
»Die jüngste Geschichte spricht für sich selbst. Die Wahlen von Bill Clinton und Barack Obama. Die Rodney-King-Aufstände. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen. Die Dutzende von Gesetzesvorlagen, die gegenwärtig diskutiert werden und die uns unserer Feuerwaffen berauben wollen. Die Morde von Ruby Ridge und Waco.«
»Morde.«
»Natürlich.«
»Auf diesen Anwesen befand sich genug Feuerkraft, um eine ganze Stadt plattzumachen.«
Danner ging nicht darauf ein. »Die Regierung schreckt vor nichts zurück, um Menschen zu eliminieren, die sich nicht anpassen wollen. Unabhängige Milizen muss es geben, um die Freiheiten zu schützen, für die unsere Vorväter gestorben sind.«
Da ich wusste, dass diese Diskussion nichts brachte, wechselte ich das Thema.
»Erzählen Sie mir von Cale Lovettes Eltern.«
Danner senkte den Kopf. Atmete tief ein. Ließ die Luft durch die Nase wieder aus.
»Ich spreche nicht gern schlecht über Menschen, aber Katherine Lovette war nicht gerade das, was man eine Lady nennen würde. Sie war, wie soll ich das sagen? Ein NASCAR-Groupie. Wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Weiß ich nicht.«
»Manche Flittchen hängen sich an Rockstars. Für Kitty war es die NASCAR. Besitzer. Fahrer. Mechaniker. War ihr ziemlich egal. In den Siebzigern trieb sie es mit dem ganzen Zirkus.«
»Soll heißen, sie schlief sich durch viele Betten.« Danners pharisäerhafte Haltung ärgerte mich.
Danner nickte. »Natürlich wurde sie schwanger. Nannte den Kleinen nach Cale Yarborough. Der gewann zu der Zeit viele Rennen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Yarborough Cales Vater war?«
»Nein, nein. Nichts in der Richtung. Jahrelang sagte Kitty kein Wort. Aber der Junge war einem gewissen Craig Bogan, der sich an den Rennstrecken herumtrieb, wie aus dem Gesicht geschnitten. Rote Haare. Blaue Augen. Grübchen im Kinn. Als Cale sechs war, sah er aus wie ein Klon. Als Kitty Craig schließlich als Vater nannte, zog er bei ihr ein. Aber die Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.«
»Inwiefern?«
»Bogan war Mitte zwanzig. Aber gerissen. Ehrgeizig. Kitty war schon deutlich über dreißig. Und sie – « Danner schüttelte schnell den Kopf. »Na ja, genug gesagt.«
»Wie verdiente Kitty ihren Lebensunterhalt?«
»Verkaufte Kräuter und Gemüse, die sie zu Hause anbaute. Verdiente kaum genug, um sich und ihren Jungen zu ernähren. Bogan machte aus der Sache aber tatsächlich ein vernünftiges Geschäft und kaufte es ihr schließlich ab, samt Haus und allem. Gründete Filialen. Bot zusätzliche Dienstleistungen an, Lieferung nach Hause zum Beispiel
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