Fahrstunde in den Tod (Emsland-Krimi) (German Edition)
sie und verschwand aus dem Beobachtungsbereich von Eckelhoff, der
sich köstlich unterhalten fühlte.
Noch
während er sich über diesen Vorfall amüsierte, sah er Frau Schuster mit der
Lockenpracht – von Winkler ›Schwarze Witwe‹
getauft – durch die Eingangstür kommen. Er
winkte ihr zu und begrüßte sie.
»Guten
Tag! Ich bin Erik Eckelhoff. Sind Sie Frau Schuster?« Er hatte seinen
Gesichtsausdruck schnell von ›gerade noch gelacht‹ auf ›herzliches Beileid‹
umgestellt.
»Guten
Tag, ja, bin ich. Wo müssen wir hin?«
»Nach
unten, bitte folgen Sie mir.«
Erik
ging voraus und steuerte auf das Treppenhaus zu, nur einige Stufen später
befanden sie sich im weiß gekachelten Kellerflur wieder.
Frau
Schuster berührte Eckelhoff kurz am Arm. »Sieht er schlimm aus?«, fragte sie
ängstlich.
»Nein,
überhaupt nicht. Er sieht aus, als wenn er schliefe. Er hatte ja keine
Verletzungen im Gesicht.« Das schien sie ein wenig zu beruhigen.
Sie
standen vor einer grün gestrichenen Stahltür, hinter der sich die Kühlkammern
zur Aufbewahrung der Leichen befanden. Eckelhoff drückte auf einen
Klingelknopf, kurz darauf öffnete sich die Tür und eine Frau im weißen Kittel
begrüßte sie.
»Hallo
Erik! Sie sind Frau Schuster?«
»Hallo
Elke, können wir reinkommen? Das ist Dr. Elke Völker, Ärztin in der
Unfallaufnahme«, stellte er sie vor.
Die
Frau in Weiß reichte die Hand zur Begrüßung und trat zur Seite, ließ die beiden
eintreten. Frau Schuster schlug ihren Mantelkragen hoch, als sie die Kälte des
Raumes erfasste. Die Ärztin öffnete eine Kammer und zog eine Trage heraus, auf
der unter einem grünen Tuch der Leichnam von Gerd Schuster lag. Die Ärztin
wartete einen Moment, bis Erik ihr zunickte, dann zog sie das Tuch so weit
zurück, dass das Gesicht freilag.
Erik
beobachtete die Witwe: Null Regung, dachte er. Nicht einmal mit den Augenbrauen
zuckte sie.
»Ist
das Ihr Mann?«, fragte er in die gespenstige Stille hinein. Zeigte sie jetzt
vielleicht eine Regung?
»Ja,
ist er. Können wir wieder gehen?«, sagte sie und machte auf dem Absatz kehrt.
»Möchten
Sie sich noch alleine von ihm verabschieden?«, rief die Ärztin hinter ihr her,
da war die Witwe bereits an der Tür.
»Nein.
Sie können ihn da wieder reinschieben. Ich bin hier fertig«, antwortete sie,
ohne sich noch einmal umzudrehen.
Kapitel 10
Veronika Blum, die Verwaltungsangestellte und Sekretärin von
Oberrat Merger, erledigte auch schon mal Aufträge der Kripobeamten. Hier eine
Halterfeststellung, da eine Nachfrage beim LKA oder Nachforschungen bei allen
Ämtern, die es so gibt. Sie hatte alle laufenden Fälle des Kommissariates im
Kopf. Ihr Gedächtnis war phänomenal und sie konnte es mit jedem Computer
aufnehmen. Kriminalistische Fälle von vor zwanzig Jahren und noch länger her
speicherte sie in ihrem Gedächtnis ab. Die Kollegen riefen zunächst bei ihr an,
wenn sie Informationen aus alten Fällen benötigten, erst dann suchten sie in
ihren Datenbanken.
Frau
Blum befand sich in der zweiten Lebenshälfte, so sprach sie selbst immer
darüber, wenn sie auf ihr Alter angesprochen wurde. Keiner wusste genau, wie
alt sie tatsächlich war, sie machte ein Geheimnis daraus. An ihren
Geburtstagen, wenn man sich bei ihr im Büro auf einen Kaffee mit Mettbrötchen
traf, wurde ermittelt. Nach ihrem Alter. Winkler schätzte die Frau auf Mitte
fünfzig bis Anfang sechzig. Er hätte sich aber auch nicht gewundert, wenn sie
ihm einiges Tages ›auf Wiedersehen‹ gesagt hätte, weil sie pensioniert worden
war.
Man
traf sie immer adrett gekleidet, nie in Hosen, sondern immer in Röcken über
Knielänge an. Dazu eine schicke Bluse und ein elegantes Halstuch, hier und da
etwas Schmuck. Ihre Erscheinung und ihre Ausstrahlung machten sie zur perfekten
Chefsekretärin.
»Herr
Winkler, ich habe Ihnen im Büro von Oberrat Merger Post auf den Tisch gelegt.
Schön, dass Sie es doch noch einrichten konnten, eben vorbeizuschauen«,
begrüßte sie den Vertreter Ihres Chefs, der sich vorgenommen hatte, die Post zu
sichten.
»Ist
etwas Wichtiges dabei?«
»Kann
man sagen, der Ersatz für den Kollegen Bötcher wurde angekündigt. Er wird sich
morgen hier vorstellen. Aber lesen Sie selbst.«
Winkler
setzte sich hinter den aufgeräumten Schreibtisch des Oberrates in den überaus
bequemen Schreibtischstuhl und wippte mehrmals. Er blickte auf die Dinge vor
sich, die man im polizeilichen Führungsdienst als Bürohengst so benötigte.
Sicherlich
hatte
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