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Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Klönne
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übrigen beobachteten gespannt, wie lange sich der »Direx« vorn noch die Balgerei der beiden Sextaner in der linken Ecke der Aula ruhig ansehen würde. Dann wurde der Redner deutlicher. Er sagte etwas von »unbelehrbaren und landesverräterischen Elementen, die immer noch der dunklen Wunderlehre einer fremden Rasse und den schwarzen Verfechtern dieser Lehre anhangen«, von »Ewiggestrigen, die immer noch nicht einsehen, daß es heute nur eine Aufgabe gibt: das Großdeutsche Reich«, und allerlei ähnliche Dinge. Einmal wollte der Redner so etwas wie Erregung markieren und schlug mit der Faust auf das Rednerpult. Er erreichte damit nur, daß die Hakenkreuzfahne, die das Pult dekorierte, an der linken Seite herabrutschte. Daraufhin ging »Phil«, der älteste und sicher auch originellste Studienrat des Gymnasiums, zu dem Pult hin, nahm die Heftzwecke vom Boden auf, steckte die Hakenkreuzfahne wieder fest und sprach befriedigt, ziemlich vernehmlich und mit einer deutlich wahrzunehmenden Ironie im Ton:
    »So. Da hängt se wieder!«
    Wolf freute sich und stieß Klaus mit dem Ellenbogen an. Dann beobachtete er scharf die anderen Lehrer vorn; die meisten guckten zur Seite, eine ganze Reihe war offenbar gar nicht anwesend bei dieser Feier, aber darauf, daß einer offenen Widerspruch wagte oder irgendwie zu erkennen gab, wartete Wolf vergebens.

     
    Am Nachmittag hatten sie Gruppenrunde auf Wolfs Bude. Als Jürgen hereinkam, sagte Wolf:
    »Du, Jürgen, eigentlich war das Feigheit heut morgen. Wir hätten...«
    »Ich weiß, was du willst. Wir hätten ‘rausgehen sollen, als der gute Mann da solchen Blödsinn redete. Aber überleg mal: damit hätten wir uns und unsere Gruppe und wahrscheinlich auch unsere Eltern den Braunen ausgeliefert. Nur keine Sorge: wir lassen uns das nicht gefallen, dieses Gerede. Aber erst mal unsre Runde...«
    Diese Runde blieb Wolf deswegen gut im Gedächtnis, weil Jürgen unter anderem eine rätselhafte Geschichte erzählte, die sie lösen sollten. Die Geschichte lautete ungefähr so:
    Eines Tages lagen zwei Araber neben ihren Kamelen in der Wüste Sahara. Es war unheimlich heiß, und zwanzig Kilometer weiter lag eine wunderbare Oase mit kühlem Wasser, schattigen Palmen und süßen Datteln... Und doch lagen die beiden Araber hier im glühenden Wüstensand und rauchten ihre Pfeife. Da kam ein Derwisch auf seinem Hengst dahergeritten. Er war sehr erstaunt über das merkwürdige Verhalten der Männer und fragte sie nach dem Grund. Er bekam zur Antwort:
    »Höre, du Zierde der Wüste, du Blume der Oase, welche Wette uns zu unsrem Tun bewegt. Wessen Kamel zuerst die nahe Oase erreicht, der schuldet dem anderen einen Sack Datteln und zwei neue weiße Burnusse. Und darum warten wir hier, weil wir beide die Wette gewinnen wollen und die Datteln und die Burnusse. Es kommt nur darauf an, wer es länger aushält!«
    Der Derwisch blickte nach Osten, ungefähr in die Richtung, wo Mekka liegen mußte, er legte seine Stirn in angestrengte Falten, wiederholte noch einmal: »Wessen Kamel zuerst die Oase erreicht, der schuldet dem anderen...« Und plötzlich mußte Allah ihm eine Erleuchtung geschickt haben, er drehte sich um, flüsterte dem einen der beiden Männer etwas ins Ohr, dann dem anderen... und beide schwangen sich in Windeseile auf ein Kamel und jagten in Richtung der Oase davon. Der Derwisch lächelte und ritt von dannen.
    »Und nun, ihr Leuchten des Geistes, ihr Türme der Intelligenz und ihr Fundgruben des Wissens, denket darüber nach, welchen Rat der Derwisch jedem gegeben hat, damit er seine Wette gewinne?« So schloß Jürgen. Die Lösung fand keiner.
    »Los, dann ‘raus damit, Jürgen!«
    »Nein, denkt doch darüber nach, dann findet ihr‘s schon.«
    »Pah, das wär‘ ja besser als Patentmittel für den Jungvolk-Dienst: jede Stunde ein Rätsel, das nicht gelöst wird, dann kommen in der nächsten wenigstens ein paar Neugierige wieder...«
    Aber Jürgen verriet die Lösung nicht. Wolf hatte ihn schon halberlei im Verdacht, daß er sie selbst nicht wußte.
    Nach der Runde hatte Jürgen noch eine, wie Wolf sagte, Geheimkonferenz mit Tim, Kostja, Pit, Klaus und Wolf. In den Abendstunden nach der Runde waren die sechs Jungen sehr geschäftig.
    Abends um halb elf Uhr kroch Wolf leise wieder aus dem Bett. Die anderen Hausbewohner schliefen offenbar alle. Das war ja prächtig! Wolf zog schnell die Lederhose über seine Turnhose, streifte Hemd und Windjacke über, zog die Socken an und schlich

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