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Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Klönne
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dann
    — die Schuhe in der Hand — auf den Zehenspitzen die Treppe hinunter und zur Haustür hinaus. Draußen zog er die Schuhe an, verstaute einen mächtigen Pinsel in der Jackentasche und schaute dann auf die Uhr: es war höchste Zeit, um elf Uhr wollte er ja an der Penne sein, zusammen mit Jürgen und Klaus; Pit, Tim und Kostja »arbeiteten« an der Realschule, da hatte heute morgen der HJ.-Bonze ebenfalls geredet. Um fünf Minuten vor elf Uhr war Wolf an der Penne.
    »Fein, daß du da bist. Hast du den Pinsel? Dann los. Klaus bleibt drüben hinter der Mauer stehen, paßt genau auf, ob einer kommt, und gibt dann das Zeichen!«
    Glücklicherweise war es stockfinster. Wolf hielt die Büchse mit der weißen Farbe, und Jürgen arbeitete mit Hingabe. Als sie ungefähr fertig waren, hörten sie Klaus das verabredete Zeichen geben.
    »Pech, so was, noch zwei Minuten, und wir wär‘n fertig gewesen. — Komm, leg dich hier dicht an die Mauer«, ilüsterte Jürgen Wolf zu.
    Wolf hielt den Atem an. Draußen ging ein Mann mit dem abgemessenen Schritt des Polizisten die Mauer entlang. Wolf glaubte, man könne sein Herz meilenweit schlagen hören. Aber das war wohl ein Irrtum. Denn der Schritt ging unbeirrt weiter. Hatte er Angst, fragte sich Wolf. Vielleicht, — wenn nicht Jürgen neben ihm kauerte, sogar bestimmt.
    Der Schritt entfernte sich langsam.
    »Uff«, flüsterte Wolf und angelte den Farbtopf wieder her. In zwei Minuten war die Sache gemacht. Jürgen nahm den Farbtopf und auch den Pinsel an sich, er dankte Klaus für die gute »Wache« und wollte sich gerade von Wolf verabschieden, da sagte der noch schnell:
    »Du, Jürgen, jetzt hab‘ ich‘s übrigens ‘raus.«
    »Was hast du ‘raus?«
    »Die Sache mit den Kamelen. Ist mir vorhin eingefallen: von den Arabern hat eben jeder das Kamel des anderen bestiegen, dann hatte gewonnen, wer zuerst da war!«
    »Gut, junger Mann! So gefallen Sie mir. Aus Ihnen kann noch was werden«, sagte Jürgen und gab ihm die Hand. Dann liefen sie alle drei auseinander.
    Um Mitternacht lag Wolf schon wieder in seinem Bett. Er träumte von riesigen Farbtöpfen, die da vorbeimarschierten, ganz langsam: links, rechts, links... Und über die Farbentöpfe hinweg jagten zwei Araber auf schnellen Kamelen... Am anderen Morgen gab es vor den beiden höheren Schulen der Stadt einen ziemlichen Menschenauflauf. An beiden Schulen stand längs der Hauptfront in großen weißen Buchstaben:
     
    ALLES FÜR DEUTSCHLAND. — DEUTSCHLAND FÜR CHRISTUS!
     
    Schon in der dritten Stunde erschien Wolfs Ordinarius mit der Ankündigung, er müsse untersuchen, ob einer etwas über die Beschriftung der Außenmauer wisse.
    Es wußte natürlich keiner was.
    »Wolfgang, sagtest du etwas? Dann heraus damit!«
    »Nein, Herr Studienrat, ich sagte nur zu meinem Nebenmann, ich verstünde nicht, warum man so viel Aufhebens von der Sache macht. Die Farbe kann man doch schnell wieder von der Mauer runterkriegen, und gegen den Satz, der da stand, kann doch keiner was haben: Alles für Deutschland, Deutschland für Christus,
    — da finde ich nichts Schlimmes dran!«
    Die Klasse amüsierte sich. Der Ordinarius wandte sich für einen Augenblick ab und sah zum Fenster hinaus, dann sagte er:
    »Da sollst du auch nichts Schlimmes dran finden, wie du sagst. Das heißt, das ist nicht deine Sache, wollte ich sagen, — das geht dich ja nichts an.«
    Dann wandte er sich zur anderen Reihe und rief:
    »Gerhard, du hast keinen Grund, so dämlich zu grinsen. Der Fall mit der Schrift ist für mich erledigt. Bitte, Gerhard, woher zogen die Ostgoten in der Völkerwanderung?«
    Gerhard Diekmann setzte sehr plötzlich eine ziemlich kleinmütige Miene auf...
    »Die Ostgoten, ja, die Ostgoten«, stotterte er...
     
    * * *
     
    Als Klaus und Wolf mittags die Penne verließen, kratzte der Schuldiener immer noch an der weißen Farbe herum.
    »Oh, was haben Sie da für ‘ne Arbeit mit, die Farbe scheint aber gut zu sein«, drückte Wolf ihm gegenüber sein Mitleid aus, und zu Klaus meinte er etwas leiser: »Das war eben Qualitätsarbeit, ich meine die Farbe!«
    Die Bürger der Stadt, die Schüler von Sexta bis Prima und nicht zuletzt die Dienststellen der Partei und Gestapo rätselten noch monatelang daran herum, wer in jener Nacht an der Arbeit gewesen sei.
    Aber des Rätsels Lösung fand man nicht.
     

8. Kapitel
    VERLORENER HAUFE
     
    IM ARBEITSZIMMER DES KAPLANS, in dem Wolf damals die erste Gruppenrunde mitgemacht hatte, saß Alf dem

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