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Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Klönne
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»Heil Hitler!«
    Aus dem Hintergrund des Raumes echote es: »‘l Hitler!«
    Aha, der Protokollführer, dachte Alf.
    »Sie sind Herr Ullhardt? Bitte, nehmen Sie Platz. Wir werden Sie nicht lange belästigen — es handelt sich nur darum, ob Sie uns eine kleine Auskunft geben können. Sie kennen doch illegale Jungengruppen in unserer Stadt. Nur ein paar Adressen wollen wir von Ihnen — dann ist die Sache für Sie erledigt!«
    »Ich kann Ihnen keine Adressen von illegalen Gruppen geben.«
    »Sie können nicht? Oh, vielleicht wollen Sie nicht, wie?«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Sie verstehen mich nicht? Sie wissen natürlich von nichts, was? Aber sagen Sie, haben Sie jemals den Namen dj. 1.11 gehört.«
    »Ja, ich habe der dj. 1.11 seinerzeit angehört.«
    Der Gestapo-Kommissar war überrascht.
    »Das geben Sie also zu? Schön, dann können Sie uns vielleicht auch sagen, wer dieses Ding hier hergestellt hat.«
    Der Kommissar nahm von seinem Schreibtisch ein schmales Heft, abgezogener Schreibmaschinentext. Alf wußte sehr genau, was dieses Heft enthielt, von wem es stammte. Er selbst hatte zusammen mit einigen Kameraden vor etwa einem Jahr diesen Auszug aus einer von der Gestapo eifrig verfolgten alten Jungenschaftsschrift im Abzugsverfahren vervielfältigt. Alf wußte ebenso genau, daß der Kommissar jetzt nur darauf lauerte, daß er ohne weiteres entweder ja oder nein antwortete. Er gab deshalb sehr ruhig zur Antwort:
    »Die Frage kann ich erst beantworten, wenn ich das, was Sie mir da vorhalten, gesehen habe.«
    Daraufhin warf der Gestapo-Mann das Heft zurück auf den Schreibtisch und schrie:
    »Bilden Sie sich nicht ein, wir wüßten nicht über Sie Bescheid. Aber wir kriegen Sie noch klein, da verlassen Sie sich nur drauf. Ich breche Ihre Vernehmung ab.«
    Er rief aus dem Nebenzimmer einen Polizisten heraus.
    »Führen Sie den Mann ab. Ins Zimmer 90. Scharf bewachen!«
    Gegen Abend wurde Alf wieder zum Verhör geholt. Er nahm sofort seinen Einberufungsbescheid heraus, gab ihn dem Gestapo-Kommissar und sah dann interessiert zu dem Hitlerbild an der Wand.
    »Oh, Sie sind einberufen? Für morgen schon? Da müssen wir Sie selbstverständlich frei lassen. Sie wissen, der Dienst in der Wehrmacht des Großdeutschen Reiches...«
    »Ja, ja, ich weiß«, warf Alf ein und nahm den Einberufungsbescheid wieder an sich.
    Zu Haus angelangt, war er gar nicht überrascht, auf der anderen Straßenseite einen Mann zu beobachten, der offenbar angestrengt Reparaturarbeiten an der Straßenlaterne ausführte. Er war auch nicht überrascht, als er bemerkte, wie lange Zeit diese Reparatur in Anspruch nahm. Alf suchte seinen Rucksack her, packte ihn in einen Koffer, hantierte für eine Viertelstunde mit allerlei Fläschchen, Kleidungsstücken und ähnlichem herum. Dann griff ein seriös ausschauender Herr mittleren Alters zu dem Koffer, ließ das Licht auf dem Zimmer brennen, schloß aber die Tür ab und legte den Schlüssel — in einen Umschlag gesteckt — unter die Matte vor der Tür. Der seriöse Herr mit dem Koffer verließ das Haus durch den Hintereingang, kletterte sehr behutsam über einen Geräteschuppen, ging dann eilig durch einen Garten und kam so auf die Straße. Er eilte an dem Arbeiter bei der Laterne vorbei, nickte ihm ein freundliches »Guten Abend« zu und schlug die Richtung zum Hauptbahnhof ein.
    In jenen Tagen war es recht schwierig, aber doch nicht unmöglich, illegal über die deutsch-schweizerische Grenze zu kommen. Jürgen jedenfalls bekam nach ein paar Wochen eine Ansichtskarte aus der Schweiz.
     
    Zwei Jahre später suchte die Gestapo und der deutsche Geheimdienst »Abteilung Frankreich« krampfhaft hinter einem Mann her, der im Raum Südfrankreich französischen und anderen Widerstandskämpfern zur Flucht in die Freiheit verhalf. Im Steckbrief war als besonderes Kennzeichen vermerkt: »Spricht ausgezeichnet deutsch, ohne jeden Fehler. Ist mit deutschen Formen offenbar bestens vertraut.«
    Als Alf diesen Steckbrief gegen sich las, lachte er. Fassen konnte man ihn nicht. Schließlich wußten die Aktivisten der »Resistance« ja auch, was sie an ihm hatten, und ließen ihn nie im Stich.
     
    * * *
     
    In der Stadt wurde bald nach Alfs Flucht Jan Dörmann verhaftet. Nach zwei Jahren Einzelhaft wurde er in ein KZ. gebracht. Aber das Verhör von Alf und die Verhaftung Jans (der die andere Jungenschaftshorte der Stadt geführt hatte) waren nur die ersten Anzeichen einer großen Gestapo-Aktion gegen alle

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