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Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Klönne
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auch keinen bekommen. Ganz im Vertrauen gesagt: wir haben sogar Befehl, morgen das Kommando hier aufzugeben und in die Stadt zu fahren, weil dort kaum noch ein Landser zur Verfügung steht!«
    Paule wollte die Sache durchaus nicht gefallen. Aber er konnte ja schließlich auch keinen Wagen herzaubern. Also versuchte er, die Jungen bei guter Laune zu halten.
    In der folgenden Nacht fuhr Wolf plötzlich aus dem Schlaf auf. Sie lagen zu zwanzig Jungen hier in einem etwas verkommenen Saal des Schlosses auf Strohlagern. Einen Stock höher schliefen weitere zehn Jungen, Paule und die beiden HJ.-Führer.
    Wolf hörte links neben sich ein Geräusch, als wenn man eine Decke ausschlägt. Dann glaubte er das Festschnallen von irgendwelchen Riemen hören zu können.
    Wer hat denn da mitten in der Nacht einen Vogel bekommen, dachte Wolf und wollte sich gerade wieder auf die andere Seite legen, als ihn das, was er jetzt sah, mit einem Mal hellwach werden ließ.
    Wolf konnte sehen, wie eine nur in Umrissen zu erkennende Gestalt, einen Rucksack an der Hand, vorsichtig über die Leiber der schlafenden Jungen hinwegstieg und sich zur Tür bewegte. Als sich die Gestalt unter dem Fenster vorbeidrückte, erkannte Wolf, daß es Rainer war, Rainer, ein sehr stiller, zarter und feiner Junge aus der Parallelklasse, der übrigens wunderbar Geige spielen konnte und Wolf schon aus diesem Grunde sympathisch war. Als Rainer die Tür leise hinter sich zugezogen hatte, überlegte Wolf nur für eine Sekunde lang: sollte er hinauflaufen und oben Paule Bescheid sagen? Nee, hatte keinen Zweck, bis dahin war Rainer längst über alle Berge. Also zog er sich blitzschnell die Turnschuhe an, zog den Trainingspullover über und turnte über die schlafenden Kameraden hinweg, ebenfalls zur Tür hinaus.
    Als er vorsichtig aus dem Schloßtor hinausschlich, sah er Rainer unten auf der Straße in den Wald hineinmarschieren, den Rucksack auf dem Rücken.
    Also hatte er die richtige Ahnung gehabt, sagte sich Wolf. Rainer hatte die Nerven verloren, seine Sachen gepackt und wollte auf eigene Faust nach Haus. Ausgerechnet Rainer, der sowieso reichlich empfindlich und weich war!
    Wolf eilte den Schloßberg hinunter und schlich seitlich der Straße in den Wald. Dann lief er schnell unter den Bäumen hin, um Rainer einzuholen. Er lief immer parallel zur Straße, stolperte hin und wieder über eine Baumwurzel, hatte den Kameraden auf der Straße aber bald eingeholt.
    Rainer mußte wohl irgend etwas gehört haben, er guckte sich nämlich einmal nach dem Wald hin um und ging dann schneller.
    Wolf sprang aus dem Wald auf die Straße, lief auf Rainer zu — und bekam sofort einen kräftigen Stoß.
    »Du Döskopp«, rief Wolf.
    Da begriff Rainer, wer ihn da »angriff«, er sagte leise:
    »Oh, du — Wolf?«
    »Ja, ich. Mensch, so ‘nen Stoß hätt‘ ich dir gar nicht zugetraut. Aber sag mal, was machst du hier für Nachtmärsche?«
    »Ich — ich kann einfach nicht mehr.«
    Rainer ging von der Straße herunter und warf sich auf den Waldboden.
    »Ich kann hier nicht mehr in dem Lager bleiben. Ich muß nach Haus. Und ich geh‘ auch nach Haus. — Los, laß mich gehen, Wolf 1«

    Aber das war auch die letzte Energie, die Rainer noch aufbringen konnte. Dann setzte er sich auf einen Baumstumpf und weinte. Wolf setzte sich neben ihn, sagte gar nichts, sondern legte nur seinen Arm um Rainers Nacken. So saß er wohl eine halbe Stunde neben Rainer, obwohl es ihn erbärmlich fror, er hatte ja nichts an als eine Turnhose, einen Trainingspullover und ein paar Turnschuhe. Dann sagte Wolf zu Rainer:
    »Rainer!«
    »Ja?«
    »Weißt du, als ich zum ersten Mal mit auf Großfahrt war und auch wohl so etwas wie Heimweh hatte, da hat mir Jürgen, unser Gruppenführer, gesagt: Wenn wir sie nicht in uns selbst besitzen, dann verlieren wir die Heimat immer.«
    Rainer schluckte noch einmal, dann stand er auf und sagte tapfer:
    »Komm, dann gehn wir zurück ins Schloß. Aber sag den anderen nicht, daß ich geheult hab‘, nicht, Wolf?«
    »Ist klar. Die brauchen gar nicht zu merken, daß du überhaupt weg wolltest.«
    Nach einer halben Stunde lagen beide, Rainer und Wolf, wieder auf ihren Strohlagern. Es hatte keiner bemerkt, daß sie fort gewesen waren.
     
    * * *
     
    Am nächsten Tag war Wolf beim gemeinsamen Mittagessen nicht anwesend. Paule vermißte ihn.
    »Wo ist denn der Wolf?«
    »Och, der kommt schon gleich, er hat vor zwei Stunden, als er wegging, zu mir gesagt, es könnt vielleicht ein

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