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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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schon mehr Aufmerksamkeit erweckt, als ihm lieb sein konnte.
    »Wie sind Sie auf mich gekommen?«, fragte er.
    »Offenbaren Sie als Journalist Ihre Quellen?«, wich Kiambi aus.
    Lüder spürte, dass der Mann ihm das nicht verraten würde. War es Dr.   Mbago? Jemand aus dem Hotel? Oder gab es andere Quellen? Auch das Justizministerium wusste von seiner Anwesenheit und dem Interesse am Piratenprozess.
    »Sie interessieren sich für die somalischen Piraten«, zeigte sich der Kenianer gut informiert.
    »Wenn Sie es schon wissen«, tat Lüder die Behauptung lapidar ab.
    »Ich verstehe.« Kiambi nickte. »Sie haben begriffen, dass man hier vorsichtig sein muss, sein Herz nicht auf der Zunge tragen darf. Man mag es nicht, wenn man in Dingen herumstochert, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Gewisse Kreise verstehen nicht, weshalb Sie wissen möchten, warum der Prozess gegen die Piraten geplatzt ist. Die einheimische Presse darf die Tatsache veröffentlichen, aber nicht nach den Beweggründen fragen. Genau das tun Sie.« Kiambi trank einen Schluck aus der Flasche. »Und wir vom ›Mirror‹. Nur unterscheiden wir uns dadurch, dass Sie nach Ihrer Recherche wieder nach Hause fliegen. Meine Heimat ist hier.«
    Nachdenklich fuhr sich Kiambi mit dem Zeigefinger über die lange Narbe im Gesicht. »Das war ein Messer. Den Kriminellen, der das verursacht hat, konnte man nicht ermitteln.« Dann zeigte er auf sich. »Sehe ich aus, als würde ich Reichtümer mit mir herumtragen? Wer für den ›Mirror‹ arbeitet, wohnt nicht in Karen. Ach so«, erklärte er, als er Lüders fragenden Ausdruck sah. »Karen ist das bevorzugte Wohngebiet im Süden der Stadt, benannt nach Karen Blixen. Sie kennen sicher ihr großes Werk ›Jenseits von Afrika‹. Hier in Kenia ist das große Literatur. Was wollte ich sagen? Richtig. Diese Narbe hier … Das war eine Warnung. Und der Lohn für die Arbeit beim ›Mirror‹ ist eher ein gutes Gefühl, als dass man es in Kenia-Schilling bemessen könnte. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Und Sie uns.«
    »Inwiefern?« Lüder ließ die Frage desinteressiert klingen. Er wollte, falls hinter Kiambis Bemühungen ehrliche Absichten steckten, keine falschen Hoffnungen wecken. Andererseits war er vorsichtig genug, nicht jeder Beteuerung zu glauben, die ein Unbekannter vortrug.
    »Ich möchte nicht in Ihre journalistischen Freiheiten hineinwirken. Was das bedeutet, erleben wir hier täglich. Bei Ihnen in Europa heißt es, die Presse sei die vierte Macht.« Kiambi seufzte. »Hier gibt es de facto nur eine einzige Macht.«
    »Und die zeigt sich jetzt unter anderem beim geplatzten Piratenprozess?«
    »Sie sollten dazu Ihre eigenen Gedanken anstellen«, wich Kiambi wieder aus. »Unter der Sonne hier am Äquator ist vieles anders. Ich muss gestehen, über keine Informationen zu verfügen, die erklären, weshalb das Justizministerium so gehandelt hat. Und Spekulationen führen uns nicht weiter.«
    »Schön.« Lüder trank den Rest aus der Bierflasche und signalisierte dem Barkeeper, dass sie zwei neue wünschten. »Nehmen wir einmal an, ich bin Journalist und möchte einen Hintergrundbericht über das Piratenunwesen schreiben.«
    Kiambi ließ seinen Blick durch das Lokal schweifen. »Das ist ein heikles Thema. Sie könnten in ein Bienennest stechen. Dort gibt es nicht nur die Arbeiterinnen, sondern auch die Honigsammler und mittendrin die Königin. Die sieht ein Außenstehender nicht, geschweige denn, dass er an sie herankommt. Die Bienen verteidigen ihren Stock und ihre Königin.«
    Lüder ging auf das Gleichnis ein. »Man kann den Bienenstock aber ausräuchern.«
    »Dazu müssten Sie aber gewaltiges Gerät auffahren. Wenn Sie allein im Wald unterwegs sind, dürfte es Ihnen kaum gelingen.«
    Der Barkeeper schob ihnen die beiden nächsten Bierflaschen herüber. Lüder deutete ein »Prost« an, und sie tranken. »Verraten Sie mir, wo sich der Bienenstock befindet.«
    Kiambi nagte an seiner Unterlippe. »Bienenstöcke gibt es auf der ganzen Welt. Und manche Insekten legen einen weiten Weg zurück, um Honig zu sammeln. Sie würden erstaunt sein, welche Entfernungen es von der Blüte, wo der Nektar sitzt, bis zum Bienenstock sind. Aber es ist nicht nur die Königin, sondern dahinter steckt noch der Imker. Der lässt die fleißigen Bienen für sich arbeiten und eignet sich schließlich den ganzen Honig an.«
    »Und die Honigsammler speist er mit Zuckerwasser ab.«
    Der dunkelhäutige Journalist nickte zustimmend.

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