Fahrt zur Hölle
betonte, ließ Lüder verstehen, welche Vorsichtsmaßnahmen man hier anwenden musste.
Lüder zahlte, und als sie aufbrachen, bemerkte er, wie Kiambi zwei finster dreinblickenden Schwarzen zunickte. Der größere bestätigte es durch ein Lüder nicht entgangenes Signal, indem er kaum wahrnehmbar seine Körperspannung veränderte.
»Was soll das bedeuten?«, fragte Lüder und hielt seinen Begleiter am Ärmel fest.
Kiambi ließ den Anflug eines Lächelns auf seinem zernarbten Antlitz erkennen.
»Sie sind ein aufmerksamer Beobachter. Dann werden Sie auch bemerkt haben, in welchen Stadtbezirk ich Sie geführt habe. Hier ist es besser, mit einem Bodyguard unterwegs zu sein. Zumindest für Sie. Ich kann mich hier frei bewegen. Die beiden sind Freunde von mir.«
Lüder war skeptisch. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Kiambis Zusicherung Glauben zu schenken. Mit einem unguten Gefühl betrat er die schmale Straße.
Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen. Er tastete mit der Hand nach der Pistole, löste den Druckknopf des Holsters und fühlte sich nur unzureichend beruhigt, als er das Metall der Waffe spürte. Sie würde ihm bei einem überraschenden Angriff nichts nützen, da er den Verschluss nicht gespannt hatte.
Kiambi ging fünf Schritte voraus. Lüder versuchte, den Abstand nicht zu verringern, beobachtete gleichzeitig die anderen Passanten, die ihn zum Teil neugierig musterten, aber reaktionslos vorbeiließen. Einer der Bodyguards folgte auf der anderen Straßenseite, während der größere aus Lüders Blickfeld verschwunden war. Er vermutete den kräftig gebauten Mann hinter sich.
Es war sicher nicht mehr als ein Kilometer, bis sie am runden Turm des Hilton standen. An dieser Stelle nutzte Kiambi eine Lücke im nicht versiegenden Strom der Fahrzeuge, um behände und ohne sich noch einmal umzudrehen in Nairobis Nacht zu verschwinden.
Kurz darauf war Lüder in seinem Hotel. Er ging auf sein Zimmer, stellte fest, dass es während seiner Abwesenheit betreten und durchsucht worden war, ohne dass etwas fehlte. Dann rief er zu Hause an.
»Wie geht es dir in Kapstadt?«, fragte Margit.
»Danke. Gut. Warum?«
Margit zögerte, bevor sie mit belegter Stimme fortfuhr. »Jonas hat News im Internet gefunden. Ganz aktuell. Wir verfolgen deine Reise«, fügte sie leise an. »In Kapstadt gab es heute eine Schießerei zwischen rivalisierenden Banden mit mehreren Toten.«
»Ja«, sagte Lüder. »Ich war mittendrin.«
»Du warst … was?« Margit klang entsetzt.
»Ich gehörte der einen rivalisierenden Bande an. Wir hatten auf der Konferenz eine Meinungsverschiedenheit. Europol, also wir Europäer, gegen das FBI . Und wie lösen Polizisten so etwas? Sie duellieren sich. Und da du jetzt mit mir telefonierst, weißt du, wer gewonnen hat.«
»Ich mag solche Späße nicht«, sagte Margit unwirsch.
»Dann vergiss nicht, dass hier lauter Polizisten zusammengekommen sind. Da traut sich keiner heran.«
»Gerade das könnte für Terroristen ein Ziel sein, um ein Zeichen zu setzen, zumal ihr das Thema ›Terrorismus‹ behandelt.«
»Du musst keine Sorgen haben. Hier ist alles friedlich.«
»Wann kommst du nach Hause? Wir wollen am Wochenende in den Urlaub.«
»Bald«, erwiderte er und wusste, dass Margit sich mit einer solch vagen Antwort nicht zufriedengab. »Das ist eine Open-End-Veranstaltung. Wir erarbeiten verschiedene Themen in international besetzten Arbeitskreisen. Und da Polizisten Beamte sind, geraten die Besprechungen manchmal langatmig. So kann ich nicht genau sagen, wann ich wieder da bin.«
»Komm bald«, sagte sie. »Und heil und gesund.« Sie hauchte einen Kuss in den Hörer, bevor das Gespräch beendet war.
Lüder fühlte sich unwohl dabei, dass er seine Familie belog. Aber die Wahrheit hätte er erst recht nicht erzählen dürfen.
Sein nächster Anruf galt Hauptkommissar Herdejürgens von der Flensburger Kripo.
»Wir sind ein Stück weiter«, erklärte der Leiter des K1. »Offensichtlich gibt es im Mordfall Gerd Wollenhaupt kein Motiv, das im privaten Bereich des Opfers zu finden ist. Wollenhaupt war ein ruhiger Zeitgenosse. Es gab weder Drohungen noch Streit. Er ist nicht vorbestraft, spielt nicht, ist nicht abhängig, scheint keine Laster zu haben. Es liegt auch kein Eifersuchtsdrama vor. Andererseits scheint man den Mord gezielt an ihm verübt zu haben. Es sieht nicht so aus, als wäre er ein zufälliges Opfer. In diesem Punkt sind wir noch nicht weitergekommen.«
»Da sind Sie nicht allein.
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