Fahrt zur Hölle
ein Frühstück, das dem gewohnten am ehesten entsprach.
Er suchte vergeblich nach einer Ausgabe des »Kenia Mirror«. Es gab eine Reihe einheimischer Zeitungen, die in Englisch erschienen, aber Kiambis Blatt war nicht darunter zu finden.
Nach dem Essen machte er sich auf den Weg ins Stadtzentrum. Er musste eine Weile suchen, bis er eine Verkaufsstelle fand, die den »Mirror« führte. Noch auf der Straße schlug er die Zeitung auf und suchte nach der Anzeige. Vergeblich. Hatte er sie in der ersten Eile übersehen?
Mit der Zeitung unterm Arm suchte er eine Bank in einer Grünanlage nahe dem Kenyatta Conference Centre. Für Juli war es zu dieser Stunde eigentlich zu kühl, fand Lüder. Noch einmal nahm er sich die Zeitung vor und suchte Seite für Seite nach der Anzeige. Er fand sie nicht. Möglicherweise war es gestern Abend zu spät gewesen, und Kiambi hatte die Annonce nicht mehr für heute platzieren können.
Es war bereits Dienstag, und am Sonnabend wollte Lüder mit seiner Familie in den Schweden-Urlaub aufbrechen. Margit würde sich wenig begeistert zeigen, wenn er nachkommen musste. Sie fuhr ungern allein ins Ausland, selbst wenn das Autofahren in Schweden ein Vergnügen war, sie dank GPS an den Ort geleitet wurde und Margit sich in Nordeuropa auch auf Englisch und Deutsch verständigen konnte.
Enttäuscht stand Lüder auf, als sich das Handy meldete.
»Sie suchen die Adresse des Schweizer Honorarkonsuls?«, fragte eine kehlig klingende Stimme in einem leichten Singsang.
»Mit wem spreche ich?«, antwortete Lüder mit einer Gegenfrage.
»Stellen Sie keine überflüssigen Fragen«, sagte die Stimme. »Sie haben nur eine einzige Chance: Fliegen Sie morgen um zwölf Uhr fünfunddreißig mit Jetlink Express nach Mogadischu.«
»Und dann?«
»Dort erwartet man Sie am Flughafen.«
Bevor Lüder die nächste Frage stellen konnte, wurde die Verbindung unterbrochen. Er war ratlos. Die ganze Sache wurde immer rätselhafter. Wer wusste von der Anzeige, die nicht erschienen war? Woher kannte der Anrufer seine Telefonnummer? Das Handy, das Lüder von Herzog erhalten hatte, hätte eigentlich für Dritte nicht erreichbar sein dürfen. Welche Verbindungen gab es hinter den Kulissen, die für Lüder immer undurchsichtiger wurden? Er hielt ein Taxi an und ließ sich zur deutschen Botschaft auf dem Riverside Drive bringen.
Sebastian Herzog befand sich in einer Besprechung, die er aber sofort unterbrach, als ihm Lüders Besuch angekündigt wurde.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich soll morgen nach Mogadischu fliegen«, sagte Lüder.
Herzog sah ihn entgeistert an. »Unmöglich.«
»Das denke ich auch. Aber es ist die einzige Möglichkeit, mit Urs Hürlimann Kontakt aufzunehmen.«
»Hürlimann?« Herzog holte tief Luft.
»Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Wir sind uns nicht sicher, ob es Hürlimann als reales Wesen wirklich gibt oder sich hinter diesem Pseudonym eine Organisation verbirgt. Man sagt, Hürlimann sei der einzige Nicht-Somalier, der in Mogadischu überlebt. Bisher jedenfalls. Meinen Worten entnehmen Sie, dass Sie sich unmöglich nach Somalia begeben können. Das geht nicht.« Herzog schüttelte energisch den Kopf.
»Ich muss mit Hürlimann sprechen. Vielleicht besteht die Möglichkeit, mit der nächsten Maschine wieder nach Nairobi zurückzukehren.«
Der Botschaftsmitarbeiter war fassungslos. »Dafür können wir nicht die Verantwortung übernehmen. Ich habe Ihnen schon erklärt, dass in Somalia neben den politisch völlig chaotischen Verhältnissen auch eine extrem hohe Allgemeinkriminalität herrscht. Es gibt gezielte Mordanschläge, besonders gegen Ausländer, sofern sie nicht entführt werden. Niemand übersieht so recht die Lage zwischen den marodierenden Banden der Clans. Die ziehen regelmäßig auch Unbeteiligte in Mitleidenschaft, ganz abgesehen von den Kampfhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien.«
»Ich will nur bis zum internationalen Flughafen in Mogadischu«, erklärte Lüder.
»Und wenn Sie dort festsitzen? Wenn Sie keinen Rückflug bekommen? Sich irgendetwas Unvorhergesehenes ereignet?«
»Ich werde auf mich aufpassen.«
»Trotzdem«, blieb Herzog hartnäckig. »Das geht nicht. Das kann ich nicht zulassen.«
»Schön.« Lüder stand auf. »Dann werde ich meine Reise ohne Ihre Hilfe antreten.«
»Herr Lüders«, sagte Herzog eindringlich. »Es ist nicht nur meine Aufgabe, Sie zu warnen, sondern auch eine Herzensangelegenheit. Wir sprechen nicht über einen lustigen
Weitere Kostenlose Bücher