Fahrt zur Hölle
Weile, und Solveig, wie sie sich vorstellte, erzählte, dass sie seit vier Jahren auf einem Trip rund um die Welt sei und schon an den verschiedensten Orten gearbeitet habe. Sie sah es als unbezahlbare Bereicherung in ihrem Beruf als Reiseverkehrskauffrau an.
Nachdem das Administrative abgewickelt war, zeigte sich die Norwegerin enttäuscht, dass Lüder am Abend keine Zeit hatte, das interessante Gespräch fortzusetzen. Sie wünschte ihm viel Erfolg und rief ihm »Kommen Sie heil wieder zurück« hinterher. »Melden Sie sich einmal. Mich interessieren Ihre Eindrücke von Mogadischu.«
Auf die war Lüder auch gespnnt. Das Zimmer im Intercontinental würde er während seiner Reise nach Somalia behalten. Darum sollte sich Sebastian Herzog kümmern, der sich bisher als zuverlässiger Glücksfall erwiesen hatte und auch außergewöhnliche Wünsche zu erfüllen vermochte.
Lüder kehrte ins Hotel zurück und rief Walter Rukcza an.
»Kommen Sie voran?«, fragte der Staatsminister.
»Soweit das unter den hiesigen Umständen möglich ist. Ich werde morgen nach Somalia fliegen.«
»Somalia?« Lüder war nicht entgangen, dass die Frage zwar neugierig klang, aber der warnende Unterton fehlte, den er bei anderen bei der Nennung dieses Reiseziels vernommen hatte. Rukcza versuchte nicht mit einem Wort, ihn davon abzuhalten. »Was wollen Sie dort?«
»Ich habe einen Kontakt herstellen können.«
»Welcher Art?«
»Darüber möchte ich nicht reden. Noch nicht.«
»Haben Sie vergessen, mit wem Sie sprechen? Ich bin der direkte Beauftragte der Regierungsspitze. Die Leitung der Bundesregierung möchte schon auf dem Laufenden gehalten werden.«
Lüder blieb hartnäckig. »Über meine Vorgehensweise entscheide ich ganz allein. Da können Sie eine ganze Kanzlerriege in der Hinterhand haben.«
»Trotz aller Bedeutung Ihrer Mission«, wechselte Rukcza das Thema, »vergessen Sie bitte nicht, mit den Ihnen anvertrauten Finanzmitteln sorgfältig umzugehen. Was war das für ein größerer Posten, der gestern abgebucht wurde?«
»Das waren, ähm … Kosten für eine juristische Beratung.«
»So viel? Ich gehe davon aus, dass Sie einen Beleg darüber haben.«
»Hallo! Sie haben mich nach Afrika geschickt. Hier kennt man keine Steuernummern. Und in Nairobi hat das Umweltprogramm der Vereinten Nationen seinen Sitz. Da werden keine Ressourcen für das Papier von Quittungen verschwendet. Fragen Sie Klaus Töpfer. Der hat hier als Exekutivdirektor und Generaldirektor des Büros der UN gewirkt. Immerhin hat er es bis zum Untergeneralsekretär gebracht. Und das alles ohne Quittungen.«
»Sie haben einen eigenartigen Humor«, sagte Rukcza. Es klang säuerlich.
»Ohne den hätte es mich nie hierhergeführt.«
»Ich appelliere an Ihr Verantwortungsbewusstsein als Beamter«, schloss der Staatsminister das Gespräch. »Gehen Sie bitte verantwortungsbewusst mit dem Spesenkonto um.«
»Deshalb will ich in Somalia auch per Anhalter reisen«, erwiderte Lüder und rief: »Halt! Bevor Sie auflegen, gibt es neue Informationen zur ›Holstenexpress‹? Liegt inzwischen eine Lösegeldforderung vor? Wo ist das Schiff? Wie geht es der Besatzung? Was ist mit der Ladung?«
»Das Schiff liegt immer noch unverändert an der Position, die uns die Marine genannt hat. Die Entführer haben sich noch nicht gemeldet. Zur Ladung wurde alles gesagt. Warum fragen Sie so penetrant danach?«
»Weil ich hier auf einem Pulverfass hocke und wissen möchte, aus welchem Material die Lunte besteht«, antwortete Lüder.
»Sie übertreiben. Was wollten Sie noch wissen?«
Lüder fand es erschreckend, dass Rukcza von sich aus mit keiner Silbe auf das Schicksal der Besatzung einging und jetzt sogar noch einmal nachfragte, was Lüder interessierte.
»Ich sprach von der Besatzung. Menschen! Die befinden sich jetzt in der Gewalt der Piraten.«
»Über die Leute an Bord der ›Holstenexpress‹ gibt es keine neuen Erkenntnisse. Wie gesagt – es gibt keinen Kontakt zu den Entführern. In diesem Punkt setzen wir auf Sie und Ihre Ermittlungen.«
Hurensohn, dachte Lüder. Du wäschst dir die Hände wie weiland Pilatus, und mit diesem einen lapidaren Satz verlagert ihr die Verantwortung für die Besatzung auf meine Schultern. Offiziell wird man sagen können, »dass die Regierung nichts unversucht gelassen hat, sich um das Leben und Wohlergehen der Menschen zu bemühen«.
Den Rest des Tages verbrachte Lüder damit, im Internet zu recherchieren, sich noch einmal – vergeblich
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