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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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bekommt.«
    Die Tür ließ sich im zweiten Versuch schließen. Drei waren erforderlich, bis der Lycoming-Kolbenmotor ansprang. Mellesse hantierte an irgendwelchen Hebeln, dann klang die Maschine ein wenig runder. Er nahm Kontakt zur Flugleitung auf, ließ die Cessna zur einzigen Landebahn des Flughafens rollen und beschleunigte die Maschine, um sie kurz vor dem Ende der Piste in die Höhe zu ziehen. Zur Rechten lag das einzige Hafenbecken der geschundenen Stadt, links konnte Lüder einen letzten Blick auf ihre Slums und Ruinen werfen, bis Mellesse die Reiseflughöhe von etwa zweitausendfünfhundert Fuß erreicht hatte, die achthundert Metern entsprach.
    Von hier oben aus konnte man einen hervorragenden Eindruck von diesem Land mitnehmen, den kargen Feldern, den ärmlichen Siedlungen, von Kamelkarawanen, die die Illusion nährten, in einem früheren Jahrhundert zu leben.
    Mellesse schien den Flug zu genießen, zumindest sah er seinen Arbeitsplatz als idealen Ort für ein Picknick an. Lüder hätte es nicht gewundert, wenn sich der Äthiopier, als der er sich herausstellte, im Cockpit eine warme Mahlzeit zubereitet hätte. Ungeniert turnte er über die Sitze, erledigte diverse Arbeiten, sprach dabei unablässig und hatte Lüder in der ersten halben Stunde ungefragt drei verschiedene Versionen seines Lebenslaufes erzählt.
    Nach zweieinhalb Stunden Flugzeit wurde Lüder aus seinem Halbschlaf, in den ihn das monotone Motorengeräusch in Verbindung mit der unruhigen Nacht geschickt hatte, geweckt.
    Mellesse fing lautstark an zu fluchen, wurde hektisch, drehte an diesem Hebel, klopfte auf jenes Instrument, ging in den Sinkflug über, wackelte mit den Flügeln und zeigte sich schließlich beruhigt, als der Motor wieder in den zuvor gehörten sonoren Klang verfiel.
    »Was war los?«, wollte Lüder wissen, der sich inzwischen an das Klappern und Scheppern in der Maschine gewöhnt hatte.
    Statt einer Antwort erklärte ihm der Äthiopier, dass dieses Flugzeugmodell das robusteste überhaupt sei und es keinen besseren Typ für diesen Landstrich gebe. Versonnen strich er über die Instrumententafel.
    »Die Lady ist über vierzig Jahre alt«, sagte Mellesse und ergänzte: »Und sie fliegt noch weitere vierzig Jahre. Dafür sorge ich. An die Maschine kommt kein Mechaniker heran. Das mache ich alles selbst.«
    Lüder überlegte, wie viele Vaterunser vonnöten wären, um den lieben Gott, der nur ein kleines Stück über ihm weilte, so gnädig zu stimmen, dass er sie heil bis nach Garoowe kommen ließ. Ob es half, auch für den altersschwachen Motor ein Stoßgebet zu sprechen?
    Es gab einen plötzlichen Ruck, und die Cessna legte sich steil nach links. Doch Mellesse lachte nur. Der Pilot hatte abrupt den Kurs gewechselt. Sie verließen die Küste und flogen eine weitere Stunde über eine karg wirkende Landschaft, bis der Pilot nach vorn zeigte und auf das Ziel wies. Garoowe, die Hauptstadt der selbst ernannten autonomen Region Puntland, lag vor ihnen.
    Der Flugplatz bestand aus einer gewalzten Sandpiste, an deren Rand neben einer Baracke zwei Technicals standen, ungepanzerte Kampffahrzeuge, auf denen Maschinengewehre montiert waren.
    Mellesse ließ die Cessna in die Nähe der Baracke rollen, aus der ein Mann in Tarnuniform herauskam und martialisch ein Schnellfeuergewehr schwang. Die drohende Haltung entspannte sich, als er den Piloten gewahrte. Die beiden Männer begannen ein Palaver, dabei zeigte der Bewaffnete immer wieder mit der Gewehrspitze auf Lüder und sagte etwas.
    »Passport« war das Einzige, was Lüder verstand.
    Der Pilot versuchte zu vermitteln, nachdem Lüder ihm erklärt hatte, dass er kein Visum besitze, aus Mogadischu komme und auf Einladung des Innenministers unterwegs sei.
    Nach weiteren zehn Minuten Palaver entschied sich der Bewaffnete, einen anderen »Polizisten«, wie Mellesse die Funktion des Mannes nannte, zu holen, der leidlich Englisch sprach, sich Lüders Geschichte erneut vortragen ließ, wieder verschwand und schließlich freudestrahlend mit zwei weiteren Bewaffneten zurückkehrte.
    Lüder und sein Gepäck wurden auf einen Technical verladen, bevor er sich von dem Piloten verabschieden konnte. Er hatte noch gar nicht Platz genommen, als der Fahrer Gas gab und mit dem offenen Pick-up Richtung Stadt davonbrauste.
    Im Unterschied zu Mogadischu wirkte die Stadt aufgeräumt. Es gab keine Ruinen, dafür Baustellen. Die Häuser waren in ein freundliches Weiß getaucht, stellenweise waren die Straßen begrünt,

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