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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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eine Absicherung der Türklinke sinnlos sein würde, da das Haus im Obergeschoss einen umlaufenden Balkon hatte und jederzeit jemand darüber eindringen konnte. Er hatte ein unbehagliches Gefühl. Angst war es nicht, sondern Vorsicht, die sein Denken bestimmte. Ihm war aber bewusst, dass es in dieser Umgebung für ihn keine absolute Sicherheit geben würde. Ein wenig Glück gehörte auch zu seinem Beruf.
    Lüder holte das Satellitentelefon hervor und wählte die Nummer des Berliner Staatsministers. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sich Rukczas verschlafene Stimme meldete.
    »Ja?« Er klang nicht nur verschlafen. Dem Staatsminister war auch der Alkoholkonsum anzuhören.
    »Haben sich die Entführer inzwischen gemeldet?«, fragte Lüder.
    Es hörte sich an, als würde Rukcza einen Schluck trinken. »Lüders«, sagte er dann. »Wissen Sie, wie spät es ist? Schwer arbeitende Menschen brauchen ihre Nachtruhe.«
    »Die hätte ich jetzt auch gern. Sagen Sie mir, welche Neuigkeiten es gibt. Liegt inzwischen eine Lösegeldforderung vor? Hat man etwas von der Besatzung gehört? Und ich möchte endlich wissen, was die ›Holstenexpress‹ geladen hat.«
    Rukcza stöhnte kurz auf.
    »Lüders, kommen Sie umgehend zurück. Die Mission Afrika ist beendet.«
    »Bitte?« Lüder war überrascht.
    »Das war deutlich, oder? Brechen Sie sofort alle Aktivitäten ab. Sofort! Haben Sie mich verstanden?«
    »Nein. Das müssen Sie mir erklären.«
    »Ich muss Ihnen nichts erklären. Sie treten umgehend die Heimreise an. Ist das klar?« Es klang ausgesprochen unfreundlich.
    »Darf ich darauf hinweisen, dass ich Landesbeamter bin.«
    »Das ist gleich. Ich erteile Ihnen ganz formell die Weisung zur Rückkehr.«
    »Dazu sind Sie nicht berechtigt. Mein Dienstherr ist das Land. Eine Weisung kann nur ein Vorgesetzter erlassen.«
    »Ziehen Sie sich nicht auf Formalien zurück. Brechen Sie Ihren Urlaub auf Staatskosten ab.«
    Das reichte. Vor wenigen Minuten war Lüder erst die Gefährlichkeit seiner Mission bewusst geworden, und jetzt vernahm er solche Worte. Warum verschwieg man in Berlin etwas? Gab es möglicherweise Verbindungen zwischen der Bundeshauptstadt und Afrika? Eine gewagte These, für die keine Beweise vorlagen.
    »Nemo tenetur se ipsum accusare« , sagte Lüder.
    »Häh?«
    »Das war Lateinisch für Juristen und bedeutet, dass niemand gehalten ist, sich selbst anzuklagen. Sonst aber würde ich es Strafvereitelung nennen, wenn Sie irgendjemanden decken, der mit der Entführung der ›Holstenexpress‹ zu tun hat. Das ist nach Paragraf 258 des Strafgesetzbuches strafbar. Auch wenn Sie derzeit kraft Ihres Amtes Immunität genießen, dürfte es unangenehm sein, sich solchen Verdächtigungen auszusetzen.«
    »Wollen Sie mir drohen?«
    »Empfinden Sie ein deutsches Gesetz als Bedrohung?«
    »Sie kommen sofort zurück«, erwiderte Rukcza aufgebracht. »Ich werde veranlassen, dass die Ihnen treuhänderisch überlassene Kreditkarte nur noch morgen einsetzbar ist.«
    »Ich bin in Garoowe. So schnell schaffe ich das nicht«, protestierte Lüder.
    »Das ist Ihre Sache. Sie setzen sich ja sonst auch über alles hinweg. Morgen!« Dann knackte es in der Leitung.
    Das war eine ungeheuerliche Drohung. In der Tat war Lüder ohne die Kreditkarte machtlos. Ihm blieb nichts anders übrig, als mit dem nächsten Flugzeug nach Nairobi zurückzukehren. Eine ohnmächtige Wut erfasste ihn. Hatte man ihn als Spielball irgendwelcher Intrigen missbraucht? Ins afrikanische Feuer geschickt? Womöglich gar auf eine tödliche Mission? Dass Menschenleben wenig zählten, glaubte er daran zu erkennen, dass alle Aufmerksamkeit bisher auf das Schiff gerichtet war. Niemand sprach von der Besatzung, vom Schicksal der Menschen.
    Er war zu wütend, um mit seiner Familie zu sprechen. Stattdessen rief er Oberkommissar Große Jäger an und berichtete ihm alles.
    »Donnerlüttchen« war alles, was der Husumer zu sagen hatte.
    »Ich werde meine Mission hier abbrechen müssen«, erklärte Lüder. »Es ist aber ungewiss, wann ich wieder in Kiel sein werde. Falls irgendetwas Unvorhergesehenes geschieht, bitte ich dich, mit Jochen Nathusius Kontakt aufzunehmen.«
    »Das ist der einzige Leitende Kriminaldirektor, den wir derzeit in Schleswig-Holstein haben. Schade, dass er Husum verlassen hat.«
    »Dafür ist er jetzt stellvertretender Leiter des Landeskriminalamts«, sagte Lüder. »Nathusius ist nicht nur ein brillanter Analytiker, sondern auch integer. Wenn ich mich nicht bis morgen

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