Fahrt zur Hölle
Nachmittag bei dir gemeldet habe, informierst du den Kriminaldirektor.«
»Klar«, versicherte Große Jäger. »Und dann?«
»Euch wird etwas einfallen. Noch etwas …« Lüder beichtete die Lüge, die er gegenüber seiner Familie angewendet hatte. »Kümmert euch um sie«, bat er.
»Das hätten Sie jetzt nicht erwähnen müssen«, sagte Große Jäger mit belegter Stimme. Dann berichtete er, dass er mit Hauptkommissar Herdejürgens aus Flensburg gesprochen hatte. »Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Gerd Wollenhaupt aus persönlichen Gründen ermordet wurde. Es muss mit seiner Tätigkeit bei der Reederei zusammenhängen. Mehr weiß man noch nicht. Die Flensburger bleiben aber am Ball.«
Das bestätigte Lüders Vermutung, dass Wollenhaupt hatte sterben müssen, weil er hinter das Geheimnis der Ladung gekommen war.
»Viel Erfolg. Kommen Sie heil und gesund wieder. Ist verdammt langweilig hier ohne Sie …«, sagte Große Jäger zum Abschied.
Anschließend versuchte Lüder, Hürlimann zu erreichen. Der Schweizer sollte Alemayehu Mellesse mit der Cessna nach Garoowe schicken. Morgen würde Lüder den Rückweg antreten. Hier konnte er nichts mehr bewirken. Doch Hürlimann war nicht erreichbar. Und der Äthiopier hatte sich geweigert, Lüder seine Kontaktdaten zu nennen. Es wurde eng. Sehr eng.
SIEBEN
Es war der Erschöpfung zuzuschreiben, dass Lüder tief und traumlos geschlafen hatte. Der Blick in den Spiegel zeigte seinen schon seit Tagen sprießenden Bart, aber die tiefen Ringe unter den Augen waren ein wenig verblasst.
Er stellte sich ans Fenster und atmete die klare, noch angenehm kühle Luft ein. Am Horizont konnte man die Weite der Steppe erahnen.
Das Frühstück bestand aus stark gesüßtem schwarzen Tee und einem Brot, das einem Pfannkuchen ähnelte. Noch zwei Tage, dachte Lüder, dann gibt es wieder knackige Kieler Brötchen, holsteinische Landbutter, Holtseer Tilsiter und kräftige Lotsenmettwurst, dazu ein weich gekochtes Ei. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Das wäre jetzt ein kulinarisches Highlight.
Der Mann an der Rezeption verlangte US -Dollar und ließ sich auf dreißig herunterhandeln, nachdem Lüder in die Verhandlungen hatte einfließen lassen, dass er gegebenenfalls Innenminister Shiikh um Vermittlung bitten würde. Wenig später stand er vor der Tür und wartete auf das Taxi.
Urs Hürlimann war auch trotz mehrerer Versuche telefonisch nicht erreichbar gewesen. Lüder wollte zum Regierungsgebäude fahren und versuchen, über offizielle Stellen eine Reisemöglichkeit zu finden. Es war ihm gleich, ob man ihn nach Mogadischu, Addis Abeba oder Dschibuti fliegen würde. Er wollte fort.
Er wartete etwa eine halbe Stunde unter dem Baldachin des Hoteleingangs, als ein klappriger Toyota Starlet auftauchte. Lüder wunderte sich, dass das Fahrzeug mit drei Männern besetzt war. Das konnte nicht das angeforderte Taxi sein. Er griff sein Reisegepäck und wollte sich ins Hotel zurückziehen. Vergeblich. Das Personal hatte die Eingangstür verschlossen.
Die Männer sahen verwegen aus. Sie glichen eher Abenteurern oder Landarbeitern als Stadtbewohnern oder gar Taxifahrern. Der offensichtliche Anführer trug eine Jeans und ein Freizeithemd europäischen Zuschnitts, die anderen eine eigentümliche Mischung aus einheimischer und westlicher Kleidung.
»Kommen Sie«, forderte der Anführer Lüder auf und nickte mit dem Kopf in Richtung des Autos.
Lüder zog in Erwägung, seine Pistole aus dem Hosenbund zu ziehen und der Aufforderung nicht nachzukommen.
»No« , sagte der Anführer, der Lüders Reaktion zu ahnen schien, und zeigte auf den dritten Mann, der im Auto sitzen geblieben war und den Lauf eines Gewehrs auf Lüder richtete. Dabei grinste er und zeigte sein Gebiss. Ein Zahnarzt würde bei der Bestandsaufnahme viele fehlende Zähne dokumentieren, schoss es Lüder durch den Kopf.
Sich gegen die Aufforderung zur Wehr zu setzen, wäre sinnlos gewesen. Der Gewehrschütze hätte jede Aktion vereitelt.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«, fragte Lüder den Wortführer.
»Kommen Sie mit. Ganz einfach«, erklärte der in einem holprigen Englisch. Dann sagte er etwas zu seinen Kumpanen. Der zweite Mann umrundete Lüder und klopfte ihn ab. Er zog die Pistole aus dem Hosenbund und hielt sie in die Höhe. Dann steckte er die Waffe ein. Der Mann setzte die Durchsuchung fort und beförderte alles zutage, das wertvoll schien. Zwischendurch schlug er von unten gegen Lüders Unterarme, um zu
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