Fahrt zur Hölle
zwingend die Todesstrafe.«
»Haben Sie kein Mitleid mit den Kindern?«
Peltini schüttelte den Kopf. »Haben die Mitleid mit ihren Opfern? Sie wissen, dass sie die großen Stars der Szene sind, wenn sie Menschen umbringen. Bei denen ist alles bestens organisiert. Das ist Hightech. Da laufen nicht nur schießwütige Jugendliche herum, sondern auch Leute mit Know-how. Ehemalige Fischer setzen ihre Fähigkeiten, auf dem Meer navigieren zu können, ebenso ein wie qualifizierte Techniker, die die Satellitentelefone, GPS- Systeme oder die militärische Ausrüstung betreuen. Die Leute haben Geld, sie üben Macht aus. Wissen Sie, was es für diese Kreaturen bedeutet, ein Auto zu fahren? Ein großes Haus zu bauen? Besuchen Sie ein Krankenhaus in Mogadischu und sehen Sie sich an, wie man dort Menschen behandelt. Und die Piraten? Die können sich sogar eine bescheidene medizinische Versorgung leisten.«
»Das klingt, als würden Sie resignieren.«
»Was sollen wir ausrichten? Die somalischen Piraten können nicht einmal durch die Marine der Weltmächte beherrscht oder gar vertrieben werden. Die Warlords vor Ort sind mächtiger als wir. Die Chance, erwischt zu werden, ist gering. Nachdem ausländische Flotten die Gewässer vor der Küste Somalias leer gefischt haben, betrachten es die Fischer als legitim, sich ihren Anteil auf diese Weise zurückzuholen.«
»Und welcher Kriegsherr steht hinter der Entführung der ›Holstenexpress‹?«, fragte Lüder.
»›Holstenexpress‹?« Peltini tat überrascht.
Es sollte wohl so klingen, als höre er das erste Mal von diesem Schiff. Lüder ging nicht darauf ein.
»Warum liegt die ›Holstenexpress‹ so weit im Norden vor Anker und nicht vor Eyl oder Hobyo, den Zentren der Piraterie?«
»Woher wissen Sie das?« Peltinis Frage kam stockend.
»Nicht nur somalische Piraten, sondern auch die Deutsche Marine bedient sich modernster Technik«, antwortete Lüder.
Peltini hatte seine kurze Unsicherheit überwunden. »Wenn ich die Möglichkeiten hätte, die Sie in Deutschland haben, dann würde kein einziges Schiff überfallen werden.«
Lüder wollte sich nicht an einer Diskussion beteiligen, die schon geführt worden war und deren Ausgang viele Menschen nicht verstanden. Er holte seine Kamera hervor und wollte ein paar Aufnahmen von Peltini machen.
»Lassen Sie das«, fuhr ihn der Sicherheitschef an und hielt sich abwehrend die Hand vors Gesicht.
»Haben Sie Angst?«, fragte Lüder süffisant.
»Ich habe viele Feinde. Das ist in meinem Amt begründet.«
»Auch unter den Piraten und deren Hintermännern?«
»Selbstverständlich.«
»Aber die Entführer der ›Holstenexpress‹ bereiten Ihnen keine Sorgen?«
Peltini stutzte. Ärgerlich schüttelte er den Kopf.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte er. Deutlich war sein Ärger herauszuhören. Immerhin hatte er nicht ein weiteres Mal geleugnet, das Schiff zu kennen. »Ich habe einen kleinen Sohn zu Hause.«
»Eine der Spuren, die zur ›Holstenexpress‹ führen«, sagte Lüder, »endet hier in Garoowe.«
Peltini hielt mitten in der Bewegung inne. Er kniff die Augen zusammen und funkelte Lüder böse an. »Sie sollten solche Gerüchte nicht in Umlauf bringen. Das ist Verleumdung. Und die ist auch bei Ihnen strafbar, oder?«
»Bei uns gibt es eine freie Presse, die Missstände anprangern darf«, sagte Lüder.
»Ich habe Ihnen zu erklären versucht, dass hier vieles anders ist, Mr. Wolfram. Anders. Und gefährlicher.« Es klang mittlerweile wie eine Drohung.
»Warum sind Sie plötzlich so aufgebracht?«, fragte Lüder und bemühte sich, einen versöhnlichen Ton anzuschlagen.
Doch Peltini ging nicht darauf ein. »Hüten Sie sich vor dem Glauben an falsche Dinge«, sagte er doppeldeutig. »Bei uns im Islam hat man einen kritischen Blick auf Menschen, die einem Irrglauben folgen.«
»Sie meinen, die werden im schlimmsten Fall mit dem Tod bedroht?«
»Gute Nacht«, sagte Peltini und verschwand durch die Tür in die afrikanische Dunkelheit.
Der Hotelmitarbeiter, der ihrem Gespräch gelauscht hatte, tat so, als wäre er intensiv mit irgendwelchen Aufräumarbeiten beschäftigt. Lüder wünschte auch ihm eine gute Nacht. Der Mann tat aber so, als hätte er es überhört. Ganz plötzlich, schien es Lüder, war er zu einem Aussätzigen geworden. Das konnte nur bedeuten, dass die Vermutungen, die er ausgesprochen hatte, in irgendeiner Weise ein Zipfelchen Wahrheit enthielten.
Er kehrte auf sein Zimmer zurück und stellte fest, dass
Weitere Kostenlose Bücher