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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Genua in Italien wieder gelöscht, weil die oben sind.«
    »Kann sein. Aber warum interessiert dich das?«
    »Worüber sollen wir sonst sprechen«, sagte Lüder. Es klang eher beiläufig. »Für Kreuzworträtsel ist es hier zu dunkel.«
    Piepstengel lachte. »Stimmt.«
    »Hast du eine Freundin in Genua?«, wich Lüder aus.
    »Wie denn? Weißt du, wie lange wir im Hafen liegen bleiben? Das ist wie ein Quickie. Kurz rein und dann wieder raus und ab zur Nächsten.« Er lachte meckernd. »Ich mein natürlich Hafen.«
    »Und das ist Le Havre?«
    »Jo.«
    »Und dann geht’s ab nach Hamburg?«
    »Ohne Pause. Direkt bis Barmbek«, bestätigte der Maschinist.
    Sie machten eine kleine Pause, bis Lüder schließlich fragte, ob Piepstengel Familie habe. Dabei dachte er an seine eigene, die jetzt in Kiel im Ungewissen saß und auf ihn wartete.
    Der Maschinist erzählte etwas über ziemlich verworrene Verwandtschaftsverhältnisse. Lüder hörte nur mit einem halben Ohr zu.
    »Schöster, der Zahlmeister, stammt der auch aus Hamburg?«
    »Keine Ahnung. Weiß nicht. Der ist erst in Madras an Bord.«
    »Ach«, tat Lüder überrascht. »Hat sein Vorgänger abgemustert?«
    »Nö. Wir hatten keinen. Der ist neu.«
    »Einfach so?«
    »Mensch. Meinst du, die in Flensburg fragen Hein Piepstengel? Ich bin nur der Schmiermaxe unten im Keller.« Dann herrschte Schweigen, bis dem Maschinisten schließlich doch noch etwas einfiel. »Ist schon merkwürdig.«
    »Was denn?«
    »Der Neue ist mit der verspäteten Ladung gekommen.«
    »Bitte?«, fragte Lüder erstaunt.
    »Sah fast so aus, als hätte er sie begleitet.«
    Das war eine sensationelle Neuigkeit und bestärkte Lüder in der Vermutung, dass die Ladung der ›Holstenexpress‹ eine entscheidende Rolle spielte. Vermutlich lag das Geheimnis irgendwo in den Containern, die in Indien an Bord genommen wurden. Hatte Hans-Günter Schöster die Funktion eines Kontrolleurs inne, der ein besonderes Augenmerk auf diese Container werfen sollte? Was war, um in der Sprache der Seefahrt zu bleiben, aus dem Ruder gelaufen?
    Irgendetwas war anders bei diesem Piratenüberfall, etwas, das sogar das politische Berlin in helle Aufregung versetzte. War das einer der Gründe, weshalb man den polizeilichen Staatsschutz informiert hatte? Und da maritime Belange berührt waren, hatte man eine norddeutsche Landespolizei auserwählt. Hamburg war der Zielhafen der ›Holstenexpress‹. So wäre es naheliegend gewesen, das dortige Landeskriminalamt einzuschalten. Hatte man Kiel gewählt, weil die Reederei in Schleswig-Holstein beheimatet war? Oder, überlegte Lüder mit einem Anflug von Sarkasmus, war die Wahl auf Kiel gefallen, weil man in Berlin vermutete, dort seien die Deppen beheimatet?
    Und als man in der Bundeshauptstadt feststellte, dass Lüder vorankam, hatte ihn Staatsminister Rukcza umgehend zurückbeordert. Nicht mit mir, sagte er sich grimmig. Es wird überall nur mit Wasser gekocht. Aber die Nordsee hat Salzwasser. Das wird den Berlinern die Suppe verleiden, die sie auslöffeln müssen.
    »Hein!« Es war ein Befehl. Der Erste Offizier hatte gerufen.
    »Ja?«
    »Komm rüber zu mir.«
    »Warum?«
    »Komm!«
    »Das ist ein Stinkstiefel«, raunte Piepstengel Lüder zu, folgte dann aber der Aufforderung.
    »Setz dich zu uns«, forderte Kalynytschenko den Maschinisten auf.
    Die auf Deutsch geführte Unterhaltung mit Lüder war den Schiffsoffizieren offenbar nicht geheuer. Sie wollten Piepstengel unter Kontrolle haben. Lüder wusste nicht, ob die Männer Deutsch verstanden. Insofern war das Gespräch in der Muttersprache keine Gewähr für Vertraulichkeit, insbesondere da Schöster auch Deutscher war und sicher eher mit dem Kapitän und Kalynytschenko kooperieren würde als mit Lüder. Und der leutselige Piepstengel hatte sich an den Anweisungen seiner Schiffsführung zu orientieren. Merkwürdig erschien Lüder auch, dass der Erste Offizier das Wort zu führen schien, während sich Kapitän Syrjanow auffallend zurückhielt. Das galt auch für Wang Li, den Zweiten Offizier aus China, der sich überhaupt noch nicht zu Wort gemeldet hatte.
    Es herrschte Stille im Verlies, wenn man vom leisen Getuschel der Philippiner absah, die sich in ihrer Muttersprache unterhielten.
    Lüder kauerte sich an die Wand und umschloss seine angewinkelten Knie mit den Händen. Es waren nicht nur die schreckliche Luft und der erbärmliche Gestank, sondern auch die Myriaden von Insekten, die um ihn herumschwirrten, die ihm zusetzten.

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