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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Zunächst hatte er noch versucht, sie abzuwehren, aber irgendwann resignierte er und schlug nicht mehr nach ihnen.
    Das Warten zerrte an den Nerven. Man saß auf dem gestampften Lehmboden und stierte stumpfsinnig vor sich hin. Abwechslung bot nur der Gang zur fensterlosen Öffnung in der Wand, durch die gerade der Kopf hindurchpasste und die den Blick auf den tristen Innenhof freigab. Dort kauerte immer noch der Junge mit der Maschinenpistole, der Lüder hierher begleitet hatte. Sonst war es totenstill auf dem Areal.
    Die nicht zu enden scheinende Gleichförmigkeit wurde nur unterbrochen, wenn eine der Geiseln zum Eimer taumelte, um sich zu entleeren. Es war entwürdigend. Lüder versuchte, diese Funktionen seines Organismus unter Kontrolle zu halten. Irgendwann aber musste auch er nachgeben und den letzten Rest seiner Selbstachtung in die Ecke des Raumes tragen. Die Lage, in der sich die Männer befanden, war mehr als erbärmlich.
    Das stupide Kauern auf dem Fußboden wurde unterbrochen, als einer der Bewacher das Essen brachte. Er stellte es vor der Tür ab, öffnete sie und zog sich ein Stück zurück. Neben ihm stand das Kind, die Waffe im Anschlag auf die Geiseln gerichtet. Wie Verdurstende stürzten sich die Männer auf das kärgliche Mahl und den Krug mit Wasser.
    »Komm«, forderte Piepstengel Lüder auf. »Es gibt nur einmal am Tag was zu futtern.« Gierig griffen die Leute zu. Auch wenn Lüder speiübel wurde beim Anblick des Essens, nahm er sich seinen Teil und versuchte, es herunterzuwürgen. Er zwang sich auch, vom fauligen Wasser zu trinken. Nicht ein Krümel blieb nach der Verteilung der Mahlzeit übrig. Danach zog wieder die Tristesse ein.
    Lüder setzte sich neben Hans-Günter Schöster. »Aus welcher Gegend kommen Sie?«, fragte er unverfänglich.
    Er musste seine Frage wiederholen, bevor Schöster antwortete: »Ich lege keinen Wert auf eine Unterhaltung mit Ihnen.«
    Lüder versuchte, den Dialekt einzuordnen. Es gelang ihm nicht. Schöster hatte eine harte Aussprache. Mit ein wenig Phantasie klang es wie Böhmisch. Blödsinn, dachte Lüder. Der Name war urdeutsch.
    »Haben Sie die Container in Indien bis zum Schiff begleitet?«
    Ein Ruck ging durch den Mann. »Ich lege keinen Wert auf eine Unterhaltung. Das hatte ich schon einmal gesagt.« Es klang forsch.
    »Haben Sie etwas zu verbergen? Ist das nicht merkwürdig, dass Sie zusammen mit den rätselhaften Containern an Bord kamen und eine Position bekleiden, die es zuvor nicht gab?«
    »Sie sollen mich zufriedenlassen«, schimpfte Schöster auf Englisch und zog damit die Aufmerksamkeit aller auf sich.
    »Ah, Treffer«, fuhr Lüder auf Deutsch fort. »Ich freue mich schon, Ihre Geschichte auf der Titelseite abgedruckt zu sehen.«
    »Kann man mich nicht von diesem Kerl befreien?«, sagte Schöster in den Raum hinein. Dann folgte etwas auf Russisch.
    Sofort sprang Kalynytschenko auf und rief drei der philippinischen Matrosen mit Namen auf, die ihm folgten und Lüder umringten.
    »Noch ein Wort, und ich lasse von den Männern Ihr Maul stopfen«, drohte der Erste Offizier.
    »Wir sollten uns nicht gegenseitig bekriegen«, meldete sich Wang Li, der Zweite Offizier, erstmalig zu Wort. »Wir sind doch alle in derselben Situation.«
    »Der nicht«, fluchte Kalynytschenko und zeigte auf Lüder. »Der ist nicht auf dem Schiff überfallen worden. Und seine seltsamen Fragen stören mich auch. Wenn du«, dabei schwenkte er die Faust vor Lüders Gesicht, »nicht augenblicklich schweigst, wirst du keine Artikel mehr schreiben. Mit mehrfach gebrochenem Arm oder zertretenen Händen geht das nicht. Ist das klar?«
    Der Ukrainer stieß Lüder so heftig vor die Brust, dass der taumelte und gegen die Wand in seinem Rücken fiel.
    Lüder verzichtete auf eine Erwiderung. Wenn er den Mann weiter reizen würde, würde die Situation eskalieren. Und Lüder war in der unterlegenen Position. Er hatte eine Menge gehört. Nur die Zusammenhänge erschlossen sich ihm noch nicht.
    »Kapitän Syrjanow, wollen Sie Ihren Wüterich nicht an die Kette legen? Lassen Sie die Drohungen zu? Es reicht doch, wenn wir der Gewalt der Entführer da draußen ausgesetzt sind. Müssen wir uns auch noch selbst zerfleischen?«
    Es war seltsam. Der Russe knurrte etwas Unverständliches, aber er ging nicht auf Lüders Worte ein.
    Danach herrschte Schweigen, auch wenn die Spannung im Raum fast fühlbar war.
    Wieder verging Zeit, die sich bis ins Unendliche dehnte. Irgendwann vernahmen die Gefangenen

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