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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Raum hinein.
    Niemand antwortete.
    Piepstengel rückte an Lüder heran. »Schöster, der Zahlmeister. Ist erst in Chennai, dem früheren Madras, an Bord. Komischer Knabe. Spricht mit kein was.«
    »Und welche Funktion üben Sie an Bord aus?«
    »Sie? Sag man Du. Ich bin Hein.«
    »Achim«, wiederholte Lüder seinen Decknamen.
    »Ich bin der Ingenieur an Bord. Na ja, eigentlich bin ich ja nur Schmiermaxe. Hab nicht studiert. Und auch nicht gelernt, ich mein, so als Beruf«, flüsterte Piepstengel. »Aber was soll’s. Ich kenn die Maschine ausm Effeff. Bin sozusagen mit ihr verheiratet. Ist auch billiger für die Reederei. Mir müssen sie nicht so viel Piepen löhnen wie ’nem richtigen Ingenieur.«
    Dann berichtete Piepstengel, wie das Schiff in die Hände der Piraten gefallen war.
    »Wir sind ganz arglos längs geschippert. War ’nen schöner Tag. Plötzlich sind die Brüder aufgetaucht mit ihren Speedbooten. So schnell kannst gar nicht gucken. Ratzfatz war’n die an Bord. Vorher haben die mit MG s und Gewehrgranaten über unsere Köpfe geballert. Bringt nichts, sich wehren zu wollen. Die sind uns über.«
    »Wie viele Piraten waren an dem Überfall beteiligt?«
    »So ungefähr fünfzehn. Ich hab das nur am Rande mitgekriegt. Welche sind zur Brücke rauf und haben den Kapitän zur Kursänderung gezwungen. Die hatten Ahnung von Seefahrt. Den konntest du nichts vormachen und woandershin schippern. Nix da. Einer ist mit seiner Bleispritze zu mir in den Keller.«
    »Keller?«, fragte Lüder.
    »Ja. Runter in den Maschinenraum. Der war doof wie Schifferscheiße. Aber er hatte die Bleispritze. Ich hätt ihm ja gern was mit dem großen Schraubenschlüssel verpasst, aber gegen seine Kumpels kommst nicht gegen an. So ’n Mist. Nun sitzen wir hier in diesem Drecksloch.«
    »Ist jemand verletzt?«, fragte Lüder.
    »’nen paar Schrammen und blaue Flecken.«
    »Aber ernstlich verletzt wurde niemand?«
    »Nee. Auch keiner tot.«
    »Was hatte die ›Holstenexpress‹ geladen?«, fragte Lüder.
    »Keine Ahnung.« Es klang ehrlich. »Das erfährst du nicht unten im Keller. Ist auch egal, ob wir Schnaps fahren, heiße Weiber oder Dynamit.«
    »Dynamit? Waffen?«
    »Quatsch. War nur so gesagt. Wirklich. Davon weiß ich nichts.« Piepstengel räusperte sich. »Sag mal. Wann komm wir hier wieder raus aus diesem Scheißloch? Hier erstickst ja. Ich will endlich duschen, aber vorher ’ne Lulle und ’nen kühles Bier zischen.«
    »Sind alle gesund?«, fragte Lüder.
    »So leidlich. Ist nur noch ’ne Frage der Zeit, bis die Ersten krank werden. Riechst das?«
    Der bestialische Gestank war nicht zu verleugnen.
    »Die haben uns hier einen Eimer reingestellt.« Er zeigte auf eine Ecke. »Du weißt schon. Für Dingsbums. Da müssen alle rauf. Und das Dings wird nur selten ausgeleert. Dann darf es einer nach draußen tragen. Inzwischen reißen sich alle darum, den Scheißeimer leeren zu dürfen. Sonst kommst du nicht an die Luft.«
    »Nicht mal kurz?«, fragte Lüder.
    »Nix da. Wir hocken hier stumpfsinnig herum.«
    »Wie ist die Verpflegung?«
    Piepstengel lachte voll Bitterkeit auf. »Gut«, sagte er unüberhörbar ironisch. »Weil … das ist so miserabel. Da gehen nicht mal die Ratten ran. ›Canjeero‹. So nennen die das Brot. Dazu gekochte Adzukibohnen mit Zucker. Brrrh.« Er schüttelte sich. »Und zu trinken fauliges Wasser. Das schmeckt, als wenn die da reingepisst hätten. Wundert dich das, dass es alle am Darm erwischt hat?«
    Dann wollte Piepstengel wissen, wie die Situation draußen war. Ob das Lösegeld für das Schiff gezahlt würde? Wann?
    »Hoffentlich schicken die nicht die GSG 9«, sagte er. »Das gibt sonst ein Gemetzel.«
    »Man bemüht sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln um eure Freilassung«, log Lüder.
    »Das will ich auch schwer hoffen.«
    »Wo ist der Kapitän?«
    »Da an der Seite«, sagte Piepstengel und drückte Lüders Unterarm. »Schön, dass du da bist.«
    Lüder kroch in die angegebene Richtung und stieß gegen ein paar ausgestreckte Füße.
    »Pass auf, du Armleuchter«, schimpfte eine Stimme auf Englisch, die aber einen unverkennbaren harten Ostblockklang aufwies.
    »Kapitän Syrjanow?«
    »Hier«, meldete sich eine müde Stimme ein Stück weiter.
    Lüder robbte an Porfirij Syrjanow heran. Aus der Besatzungsliste wusste er, dass der russische Kapitän vierundfünfzig Jahre alt war.
    »Ich heiße Achim Wolfram und bin Journalist«, begann Lüder und erzählte in gekürzter Form seine

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