Fahrt zur Hölle
integren Mann«, sagte Lüder. »Verstehen Sie aber bitte, dass auch ich meiner Arbeit nachgehen muss. Wir haben schon darüber gesprochen, dass es ungewöhnlich ist, dass man Ihnen einen Zahlmeister an die Seite stellt. Wie weit sollte Schöster mitfahren?«
»Das war nicht limitiert. Ebenso schnell wie sein Erscheinen könnte auch das Abmustern erfolgen.«
»Haben Sie den Eindruck gewonnen, dass Schöster etwas von der Materie versteht?«
Erneut überlegte Syrjanow lange. Dann schüttelte er bedächtig den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Wären Sie überrascht gewesen, wenn Schöster mit den Containern in Limassol von Bord gegangen wäre?«
»Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Vermisst hätte ihn niemand.«
Lüder legte eine Kunstpause ein. »Wer hat Ihnen die Anweisung gegeben, Dschidda anzulaufen?«
»Von wem haben Sie …« Syrjanow brach mitten im Satz ab. »Das war eine Anweisung der Reederei.«
»Von wem genau?«
»Jens Iversen.«
Der Prokurist, überlegte Lüder, der ihm bei seinem Besuch in Flensburg so bereitwillig Auskunft erteilt hatte, sich aber schwertat bei der Handhabung der Software, mit der der Zugriff auf die Ladungsdaten erfolgte.
»Was sollten Sie in Dschidda?«
Syrjanow zuckte mit den Schultern. »Die Anweisungen sollten folgen. Wir hatten nur Order, Saudi-Arabien anzulaufen.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das nicht oft vorgekommen?«
»Nie«, bestätigte der Kapitän. »Wir fahren Linie. Das funktioniert wie ein Autobus. Wir haben einen festen Fahrplan und – wenn Sie so wollen – fixe Haltestellen.«
»Was ist Ihr Erster Offizier für ein Mensch?«
»Kalynytschenko? Der muss seine Emotionen noch besser in den Griff bekommen. Zu aufbrausend. Aber er ist ein guter Seemann.«
»Und Wang Li, der Zweite Offizier?«
»Der ist noch nicht lange bei uns. Das ist jetzt die zweite Fahrt. Ein ruhiger, unauffälliger Mann, auf den man sich aber verlassen kann.«
»Eine letzte Frage: Wissen Sie, wer Abu Talha ist?«
»Ich habe den Namen auch öfter gehört, glaube ich zumindest. Aber wer das ist? Ich weiß es nicht.«
»Würden Sie mir Ihre Erlaubnis geben, dass wir in einen der Container sehen, die Sie in Madras übernommen haben?«
Syrjanow knetete seine Finger. »Dieser Überfall … Ich bin allmählich auch der Überzeugung, dass es kein gewöhnlicher Angriff von Piraten war. Möglicherweise haben die indischen Container etwas damit zu tun.« Er sah Lüder direkt in die Augen. »Mir hat die Gefangenschaft auch nicht gefallen. Schließlich trage ich die Verantwortung für meine Leute. Wenn Sie recht haben und der Inhalt dieser Container damit zusammenhängt … Verdammt. Das möchte ich jetzt auch wissen.«
»Würden Sie mir Ihre schriftliche Zustimmung erteilen, dass wir gemeinsam einen Blick hineinwerfen?«
»Ja«, sagte der Kapitän entschlossen.
Leutnant Vahrenholt versprach, Papier zu beschaffen, nachdem er Hans-Günter Schöster zu Lüder gebracht hatte.
»Sie wissen, dass ich kein Journalist bin«, begann Lüder.
»Sie waren mir von Beginn an suspekt.«
»Haben Sie Angst vor der Begegnung mit der Polizei?«
»Ich verabscheue die Methoden, die Sie angewandt haben.«
»Eine verdeckte Ermittlung?«
»Stasi-Methoden. Sie haben sich zu uns hereingeschlichen, unser Mitgefühl herausgefordert und die Situation in der Gefangenschaft schamlos für Ihre niederen Zwecke missbraucht.«
Lüder lachte laut auf. »Ich halte Sie für so intelligent, dass Sie das, was Sie von sich gegeben haben, selbst nicht glauben. Es war eine lebensgefährliche Mission, Sie und die anderen ausfindig zu machen. Was meinen Sie, wie weit ich gekommen wäre, wenn ich mich als Polizeibeamter ausgegeben hätte?«
»Niemand hat Sie aufgefordert, nach Somalia zu kommen. Das ist nicht Ihr Revier.«
Lüder lehnte sich zurück. »Irrtum. Mein Revier ist überall dort, wo Straftaten begangen werden, die deutsche Staatsbürger oder deutsches Eigentum betreffen. Darüber hinaus erkläre ich alles zu meinem Revier, wo Menschen gefährdet sind. Und ich bin auch für jemanden wie Sie zuständig. Sie sind doch Deutscher, oder?«
Für den Bruchteil einer Sekunde geriet Schöster aus der Fassung. »Was soll diese Frage?«
»Ich möchte wissen, wer Sie wirklich sind.«
»Das wissen Sie doch. Ich bin Angestellter der Reederei German Asia Express Line aus Flensburg.«
»Wie lange arbeiten Sie schon für die Reederei? Sie wissen, dass wir das feststellen können. Wir müssen nur die
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