Fahrt zur Hölle
Kommandant. »Ich habe inzwischen grünes Licht von unserem Arzt bekommen. Die Besatzung der ›Holstenexpress‹ könnte wieder auf ihr Schiff zurück. Der Kapitän will das auch. Falls jemand bei uns bleiben möchte, steht ihm das natürlich frei. Nach unserem Wissensstand gibt es noch eine Wache der Piraten auf der ›Holstenexpress‹. Die müssen wir zuvor vertreiben.«
»Und wie wollen Sie das bewerkstelligen?«, fragte Lüder.
»Wir setzen auf Abschreckung. Zunächst wird Kapitänleutnant Schröderjahn mit den beiden Sea Lynx für ein wenig Stimmung sorgen. Vielleicht werden wir ein paar Handgranaten neben und ein wenig Nebel auf das Schiff werfen. Das wird hoffentlich Eindruck schinden. Danach lassen wir unsere Speedboote unter dem Kommando von Leutnant Vahrenholt und Oberbootsmann Mehring auffahren. Wir werden sehen, mit wie vielen Booten die Piraten an der ›Holstenexpress‹ angedockt haben. Eines lassen wir ihnen für die Rückkehr an den Strand. Der Rest wird versenkt.«
»Hoffentlich gibt es kein Blutvergießen«, sagte Lüder besorgt.
»Das ist auch unsere oberste Maxime«, erklärte der Kommandant. Dann entschuldigte er sich. »Ich muss mich meinen Aufgaben zuwenden.« Beckers grüßte militärisch durch Handanlegen an den Mützenschirm und wandte sich ab.
Lüder suchte die Messe auf und traf dort den Ersten Offizier der ›Holstenexpress‹.
»Sie dürfen nicht die Container öffnen«, fiel Kalynytschenko über ihn her und verschüttete dabei Kaffee, den er in einem Becher balancierte. »Außerdem ist das auf See gar nicht möglich. Wie wollen Sie da heran?«
»Wir bohren die Seitenwände an«, erklärte Lüder vergnügt, ohne es ernst zu meinen.
Das brachte Kalynytschenko völlig aus der Fassung. Ein Wortschwall, gemischt aus englischen und russischen Wortfetzen, erreichte Lüder. Der winkte ab.
»Sie sind herzlich eingeladen zuzusehen. Vielleicht können Sie dabei noch etwas lernen. Wenn Sie möchten, können Sie allerdings auch Mr. Schöster Gesellschaft leisten. Der wird nicht auf die ›Holstenexpress‹ zurückkehren.«
Kalynytschenko öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann drehte er Lüder demonstrativ den Rücken zu.
Während Lüder seinen Kaffee trank, den ihm ein Obergefreiter reichte, hörte er das Aufheulen der Rotoren der Hubschrauber. Das Geräusch steigerte sich, dann entfernte es sich. Nach einer Weile kehrte Lüder an Deck zurück. Inzwischen waren auch die Speedboote abgefahren.
Lüder nutzte die Zeit, um über das Schiff zu schlendern. Obwohl sie nur vor der Küste lagen und sich die Konturen des Landvorsprungs abzeichneten, auf dem die Siedlung Hafun lag, herrschte an Bord ein geschäftiges Treiben, ohne dass die Soldaten in Hektik verfielen. Jeder Handschlag saß.
Im Hintergrund zeichnete sich eine Erhebung ab, sie mochte sogar zwei- bis dreihundert Meter betragen. War es ein Segen oder ein Fluch für die hier lebenden Menschen, dass der feinsandige Traumstrand noch nicht von der Tourismusindustrie entdeckt worden war?, überlegte Lüder. Dass niemand diesen östlichsten Punkt Afrikas, das Kap der Gewürze, kannte?
Er atmete tief die Seeluft ein und versuchte, den Gedanken an die Enge in ihrem Verlies, an den unermesslich schrecklichen Gestank zu verdrängen. Mit Sicherheit würde er nie wieder an diesen Ort zurückkehren.
Er ließ sich Zeit, bis er die Funkstelle aufsuchte und darum bat, nach Deutschland telefonieren zu dürfen. Der Hauptbootsmann vergewisserte sich beim Kommandanten, dann stellte er eine Verbindung her.
»Herr Dr. Lüders?« Dann herrschte Sprachlosigkeit.
Lüder lachte. »Das hättest du nicht geglaubt?« Er wartete eine Weile, bis er hinterherschob: »Das ist ein Ferngespräch aus Afrika. Das ist zu teuer, um zu schweigen.«
»Mensch. Was bin ich froh, Ihre Stimme zu hören.« So hatte Lüder Große Jäger noch nie erlebt. Noch einmal versicherte der Husumer, wie sehr er sich freuen würde. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, schloss er mit belegter Stimme. Dann räusperte er sich zweimal.
Lüder berichtete in Kurzform von seiner Entführung, der Gefangenschaft und der Befreiungsaktion durch die Deutsche Marine.
»Leider hat es ein Opfer gegeben«, sagte er. »Das trübt ein wenig die Freude. Aber zunächst einmal herzlichen Dank. Ich vermute, dass du dich für diese Aktion engagiert hast.«
»Nicht richtig«, stapelte Große Jäger tief. »Ich habe Kriminaldirektor Nathusius angerufen. Das war
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