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Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Titel: Fahrtenbuch - Roman Eines Autos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Maak
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Geländewagen. Yutaka und Tomiko saßen mit Jana hinten, Christian Minderberg auf dem Beifahrersitz, der asthmatische Cockerspaniel wurde in den Kofferraum gehoben, wo er sich wie die Hauptfigur eines Salongemäldes auf einem abgewetzten Orientteppich ausstreckte. Percy fuhr; er trug eine weiße Hose, ein weißes Leinenhemd und rote Loafer. Pinien zogen am Fenster vorbei, der Geruch von erhitztem Harz wehte durch die offenen Seitenfenster. Im Kassettenrecorder lief Dexter Gordon.
     
    Bayonne lag mit seinen Fachwerkhäusern träge am dahinfließenden Adour. Der Fluss trennt die weiten Pinienwälder von Aquitanien vom Baskenland, die Straßenschilder sind zweisprachig hier und die Stierkämpfe blutig. Sie parkten an der Kathedrale und gingen zu Fuß zum Stadion. Christian Minderberg, der einen enormen Hunger hatte, kaufte an einem kleinen Platz ein paar Gâteaux Basques. Er gab Yutaka ein Stück ab; der süße Teig zerbröselte in seiner Hand und fiel auf den Boden, wo eine Taube gierig danach pickte.
     
    Gegen halb sieben, als die Sonne sank, donnerte der erste Stier in die Arena; ein schwarzes, majestätisches Ungetüm, fünfhundertdreiundsiebzig Kilo schwer. Man sah die Muskeln unter dem glatten schwarzen Fell. Ein Helfer fuchtelte mit einem rosafarbenen Tuch, der Stier raste darauf zu, der Helfer machte sich aus dem Staub und hüpfte hinter eine Holzabsperrung. Ein paar Herren in rosafarbenen Söckchen tänzelten durch die Arena, winkten mit ebenfalls rosa Tüchern, sie meckerten, als hätten sie Ziegen darzustellen, »hé hé hé!«. Ein Picador ritt auf einem Pferd herein, das man mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt hatte. Der Stier raste auf das Pferd los, das bäumte sich auf und ruderte mit den Hufen in der Luft; dann stach der Picador dem Stier seineLanze zwischen die Schulterblätter. Der Stier blutete stark; er raste auf die Banderilleros los, die ihm ihre Spieße in den Nacken stießen. Ein Paso doble kündigte den Auftritt des Matadors an. Der Stier, schon geschwächt, raste auf die rote Muleta zu. Der Torero führte den Stier eng an sich vorbei und trat sachte vor das rote Tuch; das Publikum kreischte, Olé! , der Torero wackelte freudig mit dem Hintern, über dem das enge Kostüm spannte.
    Die Hitze in der Arena war gnadenlos; der Stier blutete stark, wollte aber nicht sterben; mehrfach fuhr der Degen in seinen Körper hinein, immer wieder setzte das Tier zum Angriff an, zahlreiche Helfer mussten es so lange in die Irre treiben, bis es, blutüberströmt, zu einem letzten verzweifelten Angriff auf seine Peiniger die Hörner senkte und mit einem Stich zwischen die Schulterblätter getötet wurde.
    Der nächste Stier wurde von einem anderen Torero erledigt. Das Tier schnüffelte an der Muleta, es sah aus, als freue es sich, mit dem Mann spielen zu dürfen. Der Torero führte die Muleta noch gewagter als sein Vorgänger. Er rammte den Degen ins Herz des Tieres und wurde von der tosenden Menge gefeiert und mit Hüten beworfen und durfte schließlich das abgeschnittene Ohr des Stiers in die Arena halten. Der Torero selbst hatte lächerlich kleine Ohren; ein so großes Ohr abschneiden zu dürfen musste eine besondere Befriedigung für ihn sein.
    Christian Minderberg verfolgte das Schauspiel mit einem technischen Interesse; er freute sich über Dinge, die funktionierten, und hier lief offenbar alles nach Plan. Das Gefuchtel und Getue, bevor der Stier erledigt wurde, dauerte ihm aber zu lange. Er prüfte, ob er Empfang hatte, aber auch hier bekam er kein Netz. Yutaka und Tomiko saßen stumm neben ihrem Vater und rührten sich nicht, man hätte denken können, sie seien aus Ton. Jana war bleich, sie sagte kein Wort.
     
    Auf der Rückfahrt redeten sie kaum. Sie fuhren über die engen Betonpisten durch die endlosen, leeren Pinienwälder, die von der Route Nationale bis ans Meer reichten, die Wolken hingen tief, und von Zeit zu Zeit fiel etwas Regen. In diesem Teil des Landes gab es fast keineDörfer, nur hin und wieder tauchte ein Gehöft zwischen den Pinien auf, die Landstraße war vollkommen dunkel.
    Percy starrte über sein Lenkrad in das endlose Stakkato nasser, schwarzer Pinienstämme, als hinter einer Kurve etwas Helles im Scheinwerferlicht auftauchte. Es war eine Frau mit auffallend weißer Haut und einem Sommerkleid, die an der Leitplanke kauerte und ins Scheinwerferlicht starrte. Percy wich ihr aus und bremste; der schwere Wagen kam nach vierzig Metern zum Stehen. Christian erwachte aus seinem

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