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Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Titel: Fahrtenbuch - Roman Eines Autos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Maak
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Dämmerzustand und fragte, was zum Teufel nun los sei; die zahlreichen Kuchen in seinem Magen waren durch die Vollbremsung in eine bedrohliche Schieflage geraten; ihm war jetzt furchtbar übel.
    Percy antwortete nicht, er setzte den Wagen mit heulendem Motor zurück bis zu der Stelle, wo die Frau gestanden hatte, aber dort war niemand mehr.
    »Sehr merkwürdig«, knurrte er. »Hier ist weit und breit kein Haus.«
    »Hu! Das war bestimmt ein Geist«, sagte Yutaka und kicherte.
    Percy stieg aus und starrte misstrauisch ins Dunkel. Die Pinien rauschten und knackten im Wind, sonst war es still, nur der Achtzylindermotor seines Range Rovers bollerte in die Nacht hinein, und die Rückleuchten tauchten die Straße hinter dem Wagen in ein rotes, unwirkliches Licht.
    Christian Minderberg schaute auf die Stelle, auf der Percy eben noch eine Frau gesehen hatte. Er hatte die Geisterseherei, die Masken und okkulten Weisheiten der Irgendwasstämme aus Irgendwo gründlich satt, ihm war schlecht, er hatte einen schmerzhaften Sonnenbrand, und er konnte sich unmöglich noch um Geisterfrauen oder Werwölfe kümmern oder was der alte Exorzist hier wieder witterte. Er überlegte, ob er mit der Faust auf die Hupe hauen sollte, ließ es aber sein.
    »Vielleicht hatte sie einen Unfall«, sagte Tomiko.
    »Hallo«, rief Percy in die Dunkelheit.
    »Vielleicht ist es auch der Trick einer Bande, die Touristen ausnehmen will«, schlug Christian vor. »Ich würde weiterfahren.«
    Percy starrte weiter ins Dunkel der Pinien. Jana klammerte sich an die Kopfstütze vor ihrem Sitz.
    »Wenn es eine Bande wäre, hätte sie ein Mofa an den Straßenrand gelegt, eine Panne inszeniert, was weiß ich«, murmelte Percy und klopfte gegen die Leitplanke. »Und wenn man jemanden überfallen will, verschwindet man nicht, wenn das Opfer anhält.«
    »Komm«, sagte Tomiko. »Wir sind hier nicht in Afrika und auch nicht in einer Geschichte von Stephen King. Die Frau sah okay aus. Vielleicht vergnügt sie sich mit ihrem Freund irgendwo hier in den Büschen und wir stören sie.«
    Percy sah sich mit zusammengekniffenen Augen um. Dann stieg er ein und gab Gas.
     
    In den nächsten Tagen drehte der Wind und trieb ein Tief aus der Biskaya über das Land. Die Temperaturen fielen, nachts mussten sie die Fensterläden schließen und die alten modrigen Winterdecken aus dem Holzschrank holen; das Rauschen der Wellen wurde lauter, und die Fensterläden klapperten im Wind.
    Jana ging es nicht gut. Sie aß kaum, musste sich oft übergeben und blieb viel auf ihrem Zimmer.
     
    Tomiko und Yutaka saßen am Kamin und warteten, dass das Wetter besser würde, aber es regnete sich ein. Percy legte ein paar Scheite nach, und Tomiko erzählte von einem Unfall, den sie vor ein paar Jahren gehabt hatte. Sie war bei Nässe mit dem Motorrad gestürzt und in eine Leitplanke geschleudert worden; der Helm hatte ihren Kopf geschützt, aber sie hatte sich die Beine an der Leitplanke aufgerissen und viel Blut verloren. Im Krankenhaus hatte man ihr eine Bluttransfusion geben müssen.
    »Jetzt«, sagte sie und schaute ins Feuer, »habe ich Blut von einem Mann oder einer Frau, die ich nie gesehen habe, in mir. Ich würde den Spender gern mal kennenlernen. Ich würde gerne wissen, wer jetzt durch meinen Körper fließt.«
    Christian sagte nichts, aber die Art, wie er sie anschaute, ließ klarerkennen, dass er auch diese Geschichte nicht besonders mochte und außerdem Zweifel daran hegte, ob sie überhaupt wahr war. Er hatte sich offensichtlich bei ein paar Verrückten eingemietet, die ihre Zeit damit verbrachten, sich gegenseitig mit irgendwelchem irrationalen Zeugs zu ängstigen. Andererseits gefiel es ihm hier. Er starrte missmutig auf Tomikos von der Sonne leicht gerötetes Gesicht, das auch ihm nun ärgerlicherweise so erschien, als ob ein anderer Mensch aus ihr herausleuchtete.
     
    Als es aufhörte zu regnen, gingen sie zusammen zum Strand. Das Meer lag grün unter einem grauen Himmel, das Wasser hatte lange Rillen im Sand hinterlassen, der Sand war dunkel und klebte an den Füßen, und nur dort, wo die Spuren vom Meer wegführten, war er trocken und weiß. Jana redete auf Christian ein, dass sie abreisen sollten, aber ihm war nicht mehr danach. Er legte sich in eine der Mulden in den Dünen und schlief schnell ein.
     
    Als er aufwachte, war Jana verschwunden, stattdessen beugte sich Tomiko über ihn. Sie war wirklich sehr braungebrannt, und im Gegenlicht wirkte ihre Haut fast schwarz. Hinter

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