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Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Titel: Fahrtenbuch - Roman Eines Autos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Maak
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die Beine in den Wind und las aus der Amica -Beilage »100 Singles zum Verlieben« vor: »Torsten ohne H, geboren am 11. Februar 1969. Frage: ›Wie sieht eine ideale Nacht aus?‹ Antwort Torsten:›Ich hole meiner Traumfrau die Sterne vom Himmel und gieße Sekt in ihren Bauchnabel.‹ Die sind doch auch alle nicht ganz dicht, oder?«
     
    Sie verließen die Autobahn und fuhren durch seltsam farblose Dörfer. In der Ernst-Thälmann-Straße parkte ein zusammengebrochenerLastwagen vor einem verrammelten Gasthof. Dann ging die Straße in einen Feldweg über; am Ende des Feldwegs stand das Haus.
    Vor dem Haus hatte einmal eine rote Backsteinmauer gestanden, aber die Wurzeln der hohen Eichen hatten die Mauer so lange angehoben, bis sie umgekippt und in ihre Einzelteile zerfallen war. Nur die Pfosten des Tores, die das Grundstück zum Feldweg hin begrenzten, standen schief wie zwei verunsicherte Wachposten vor dem Haus. Dahinter begann der Wald, durch den ein Hohlweg führte; an seinem Ende leuchtete der See.
     
    Das Haus gehörte Günter und Birgit. Günter hatte einen Computerschnellreparaturservice aufgebaut und fünf Jahre später eine Firma gegründet, die Großkunden mit IT versorgte. Er aß gern und kochte hervorragend, aber er teilte ungern. Theresa und Julian hatten ihn einmal besucht, als er gerade argentinische Rinderfilets briet; Birgit hatte vorgeschlagen, man könne die Portion doch durch vier teilen, was er zähneknirschend tat; in Wirklichkeit war er außer sich. Jeden Freitag verbrachte er in einem Sportclub und spielte Tennis oder Golf, nachts suchte er das Internet nach Sonderangeboten ab. Er war süchtig nach Sonderangeboten; er kaufte verbilligtes Fleisch und verbilligte Anzüge; und das Schönste, was er bisher gefunden hatte, war ein Golfurlaub auf den Seychellen zu fünfzig Prozent Last-Minute-Rabatt; weil der Tarif nur für eine Person galt, blieb Birgit zu Hause.
    Birgit war Accessoire-Designerin. Sie hatte Armbänder und Flipflops entworfen, aber die Arbeit strengte sie an, und das Geschäft lief nicht gut. Günter warf ihr vor, lethargisch zu sein. Vor zehn Uhr morgens stand sie nie auf, und auch dann brauchte sie mindestens eine Stunde, bis sie ansprechbar war. Birgit trieb keinen Sport. Sie hatte es mit Yoga probiert, aber sogar das war ihr zu anstrengend.
     
    Auf der Wiese vor dem Haus standen Autos mit Berliner Kennzeichen. Einige der Menschen, die am Zaun lehnten, kannte Marie. Es waren die üblichen Halbstars: Spätabendmoderatoren, die hofften, im kommenden Jahr auf die Sendeplätze vor dreiundzwanzig Uhraufzurücken, erfolgreiche junge Ärzte, die sich eine Chefarztstelle oder ein üppiges Deputat für ihr Forschungsprojekt ausrechneten. Auf einer Bank saßen eine vielversprechende junge Literatin, deren Lyrikband einen Preis bekommen hatte, und ein Designer, der eine Tasche mit bunten Punkten entwickelt hatte, die sich einigermaßen gut verkaufte. Die beiden hatten lange in Portland gelebt, aber dann bekamen sie ein Kind, das Karl oder Friedrich oder Hans hieß, irgendein Name jedenfalls, wie man ihn auf den Kompanielisten des Ersten Weltkriegs findet, und mit dem Kind wurden sie auf eine seltsame Weise deutsch. Nachdem sie sich ein halbes Jahrzehnt lang nur von Sushi ernährt hatten, kauften sie jetzt in einem kleinen Laden, der schwäbische Spezialitäten anbot, Krustenbrot und Pastinakencreme; der Designer bekam einen kleinen Bauch und ließ sich einen Vollbart wachsen. Sie machten jetzt kein Yoga mehr, sondern hatten eine Kleingartenparzelle gekauft, in der sie schwarze Erdsäcke aufschnitten und mit Metallspaten Gemüsebeete anlegten.
     
    Ein junger Neurologe saß im Gras und redete auf eine Frau ein. Dank einer funktionalen Magnetresonanztomographie habe man herausgefunden, rief er, dass Männer und Frauen unterschiedlich auf positive und negative Reize reagierten.
    Er habe für die Studie dreißig Männer und zwanzig Frauen an bildgebende funktionale Magnetresonanzgeräte angeschlossen. »Männer zeigten stärkere Aktivität im bilateralen Okzipitallappen, der mit der Verarbeitung von Gesehenem zu tun hat. Das heißt«, sagteder Neurologe mit dem Lächeln eines Mannes, der eine unverhoffte, schmeichelhafte Wahrheit ausspricht, »dass Frauen positive Reize in einem breiteren sozialen Feld analysieren und die positiven Bilder mit Erinnerungen verbinden. Sie sind von Natur aus nostalgisch.«
    Der Neurologe versuchte sie dazu zu bewegen, ein Experiment mit ihm zu machen.
    »Ich

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