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Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Titel: Fahrtenbuch - Roman Eines Autos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Maak
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er, statt eine Armee zu befehligen oder einen Teil des peloponnesischen Weltreichs zu regieren, jetzt in einer süddeutschen Stadt, in der es von mittelmäßigen Tempelnachbauten nur so wimmelte, italienische Tavernen zu tapezieren hatte.
    »In Griechenland gab es schon Tempel, als man in Italien noch inErdlöchern wohnte«, sagte der Grieche und deutete mit dem Tapezierpinsel auf den weißen Tempel.
    »Es ist ein wunderbarer Tempel, genau so, wie ihn die griechischen Siedler damals in Italien gebaut haben.«
    »Sag ich doch«, murrte der Kulissenmaler, der sich über die unerwartete Hilfestellung freute und die Chance witterte, seine Tempelkreation doch noch vor der übertriebenen Realismusgläubigkeit des Italieners zu retten.
    Comeneno schaute den Griechen an, wie Publius Licinius Crassus den makedonischen König Perseus angeschaut haben muss, nachdem er sein Heer zerschlagen hatte; dann sagte er dem Kulissenmaler, dass der Tempel unverzüglich zu entfernen sei und die Insel Ischia, weil er das Dia falsch herum in den Projektor gesteckt habe, auf der rechten Seite erscheine. Er solle also jetzt sofort, bitte schön, den Tempel durch eine glaubwürdige Krateröffnung ersetzen.
    So verflogen Comenenos Tage, und er vergaß die eigenartigen Jugoslawen und die eingeworfenen Scheiben.
     
    Wenn er morgens seinen Mercedes hinter dem Odeonsplatz parkte, stand die Theatinerkirche wie frisch gewaschen vor einem tiefblauen hohen Himmel. Ein paar Tauben jagten durchs kühle Dunkel der Feldherrenhalle, Kinder spielten im Hofgarten im staubigen Kies. Er nahm eine Abendzeitung aus dem Kasten, setzte sich in das große Straßencafé und bestellte einen Kaffee. Es war Spätsommer, als das Vesuvio eröffnete. Er fuhr jeden Abend seine Restaurants ab, parkte den Mercedes vor der Tür, redete mit den Köchen, nahm fehlende Zutaten mit ins nächste Restaurant, weswegen der Mercedes nach einer Weile einen interessanten Küchengeruch annahm, der trotz des geöffneten Verdecks nicht mehr verwehte.
    Er war ein erfolgreicher, glücklicher Unternehmer bis zu dem Tag, als im Vesuvio das Telefon klingelte und Comenenos Frau ihm mit überschlagender Stimme mitteilte, dass vor der Haustür soeben seine Alfetta in die Luft geflogen und ein Brandsatz in den ersten Stock seines Hauses geworfen worden sei.
     
    Von dem Moment an, als Comenenos Frau die Polizei und die Feuerwehr gerufen hatte, bis zu dem Moment, in dem sich zwei rotköpfige Polizisten aus ihrem BMW schälten, um sich der Sache anzunehmen, verging eine halbe Stunde, in der sie, halb wahnsinnig vor Angst, auf dem Grundstück eines Nachbarn wartete. Als Comeneno eintraf, stand neben seiner Frau ein dicker Polizist, der in seine schwarze Lederjacke hineinschwitzte und versuchte, ihre Personalien aufzunehmen.
    »Hier gibt es nichts zu sehen«, sagte der andere Polizist, als Comeneno sich der Gruppe näherte.
    »Ich bin ihr Mann. Das ist mein Auto«, rief Comeneno und deutete auf den ausgebrannten Haufen Blech, der hinter ihm ein paar letzte Rauchfahnen in den Himmel sandte. Das Lenkrad war geschmolzen und hing wie ein toter Tintenfisch über der Lenksäule.
    »Co-me-ne-no«, buchstabierte der schweißgebadete Dicke fertig und blinzelte zufrieden in die Sonne. »So. Das hätten wir schon mal.«
    Ein weiterer BMW hielt vor dem Haus. Zwei Kriminalpolizisten kamen auf Comeneno zu.
    »Haben Sie Feinde?«, fragte der Ermittler und machte ein intelligentes Gesicht. Comeneno begriff, dass der Heini ihn für einen Verbrecher hielt; die Villa, der Mercedes, und sowieso: ein Italiener, ein Brandanschlag …
    »Nein«, sagte er.
    Ein paar Meter weiter starrte seine Frau wie versteinert auf den Zettel, den man mit einem mittelgroßen Schlachtermesser an die Tür genagelt hatte. Auf dem Zettel stand »Pepo«. Sie war blass, und ihre Hände zitterten. Dann packte sie einen Polizisten am Ärmel seiner Jacke und schrie mehrfach das Wort »Personenschutz«.
     
    Die Kinder schliefen bei Freunden in dieser Nacht. Am nächsten Morgen, als seine Frau auf der Wache vor einem Stapel Protokolle saß, brüllte sie ein paar verwunderte Polizisten in hellbraunen Uniformhosen so laut an, dass die Männer die Zähne aufeinanderbissen und die Augen schlossen; brüllte, dass in der Zeit, die sie brauchten, um ihre fetten Ärsche in ihren hochglanzpolierten Polizeiwagen zuschwingen und in ihrem miesen kleinen Büro den Fall »aufzunehmen« (sie war jetzt wirklich außer sich), eine ganze italienische Familie, die mit

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