Faith (German Edition)
sich an der Angst der Schüler zu versagen, und er tat alles, um ihnen die Lust an seinen Fächern zu nehmen.
Wer nicht ausgesprochen begabt war, wie zum Beispiel Ben, Viktor, Bruno oder auch Patricia, hatte keine Chance bei ihm.
Valerie war durchaus interessiert an diesen Fächern und hatte bei anderen Lehrern völlig passable Noten gehabt.
Aber Dr. Wallch nahm ihr gründlich die Freude daran. Besonderen Spaß machte es ihm offenbar, dieses zarte, schöne Mädchen zu verunsichern.
Wenn er, mit ihrer Arbeit in der Hand, auf sie zu schlich, den Mund zu einem sardonischen Lächeln verzogen, „schon wieder ein ungenügend“ sagte, musste Valerie sehr aufpassen, nicht in Tränen auszubrechen. Aber den Triumph wollte sie ihm dann doch nicht gönnen.
Bio hatten sie beim „Häschen“. Frau Hase war eine kleine, resolute Person. Auf den ersten Blick sah sie aus, als sei sie selber noch Schülerin. Wenn man sie hörte, verflog dieser Eindruck. Ihre tiefe Stimme füllte mühelos den Schulraum und ihr Unterricht war niemals langweilig.
In den höheren Klassen gab die Direktorin selbst die Französischkurse.
„Macht’s gut.“ Viktor hob kurz die Hand und verschwand Richtung Fitnessraum.
Valerie und Bruno hatten sich im Mommsen verabredet.
Lena, Noah und Laura saßen bereits an „ihrem“ Tisch, als die beiden in der Eisdiele erschienen.
„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“
Laura sah Valerie aufmerksam an.
„Keine Laus, eher ein Graus, nämlich unser allseits so beliebter Mathelehrer.“
„Oje!“ Jetzt sahen alle drei Valerie mitleidig an. „Herr Wallch!“ „Er leitet unseren nächsten Mathekurs.“ Bruno fasste liebevoll Valeries Hand. „Ich helfe dir, das kriegen wir schon hin.“
Zur selben Zeit, zu der im Mommsen Eis gegessen wurde, in der Anderswelt Lisa und Ben sich begegneten, Faith auf dem Weg zu Leathan war, Richard im Wasser versank und Robert mit Jamal durch die staubige Wüste ritt, hingen die Lehrer an Frau Dr. Kirchheim-Zschiborskys Lippen. Glatze konnte nicht glauben, was er hörte, den anderen ging es ähnlich.
Das Häschen sah verängstigt aus und rang die Hände im Schoß. Herr Wallch setzte sein überheblichstes Lächeln auf, das ihm allerdings verging, als Adam und vor allem Madame Agnes sehr glaubhaft bestätigten, was die Direktorin berichtet hatte. Nur Leonhard saß ungerührt da. Ihn hatte die Kirchheim ja längst ins Vertrauen gezogen.
„Wenn wir in spätestens einer Woche nichts von den Verschollenen hören, müssen wir die Polizei einschalten“, sagte sie gerade.
„Die werden uns für verrückt erklären“, war der – wahrscheinlich richtige – abschließende Kommentar von Glatze.
Annabelle
Annabelle raste. Mit einer Handbewegung hatte sie das unberührte Frühstücksgeschirr vom Tisch gewischt. Konfitüren und Gebäck flogen umher und die reifen Früchte zerplatzten auf dem Marmorboden zwischen den Scherben der kostbaren, handbemalten Teller und Tassen. Die Lulabellen flatterten aufgeregt und verängstigt im Spiegelsaal umeinander. Elfen und Feen liefen eilig durch die Gänge des Palastes und waren sich gegenseitig im Wege. Türen wurden aufgerissen und wieder zugeworfen. Es herrschte eine Atmosphäre wie in einem Bienenstock, der von Hornissen angegriffen wurde. Über allem war die hohe, sich überschlagende Stimme von Annabelle.
„Findet sie! Niemand wird essen oder schlafen, solange sie nicht gefunden ist. Keiner von euch wird ausreiten oder sich amüsieren bis das Mädchen wieder da ist!“
Der Stallelf, mit dem sie die Nacht verbracht hatte, zog sich erschrocken zurück.
Er hatte statt eines Frühstücks den barschen Auftrag bekommen, gefälligst im Stall nach Lisa zu sehen.
Mit der Nachricht, dass Lisas Lieblingspferd verschwunden war, forderte er erneut einen Wutanfall heraus.
Annabelle tobte und wies ihn an, sofort hinter dem Mädchen herzureiten und keinesfalls ohne Lisa wieder vor ihr zu erscheinen.
Der junge Elf stöhnte innerlich.
Annabelle war ohne Zweifel begehrenswert und es war gewiss eine Ehre, von ihr wahrgenommen zu werden, aber es war auch sehr anstrengend.
Seine Pläne, nach einem ausgiebigen Morgenmahl einen ebenso ausgiebigen Saunagang zu machen und sich danach im Ruheraum zu erholen waren damit hinfällig.
Es kam nicht in Frage, sich Annabelles Wünschen zu widersetzen. Also sattelte er ein Pferd, um ohne Mahlzeit und unausgeschlafen hinter diesem unvernünftigen Menschenmädchen herzureiten.
Halb schlafend
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